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074 - Echse des Grauens

074 - Echse des Grauens

Titel: 074 - Echse des Grauens
Autoren: Larry Brent
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Aufzug surrte. Getrampel hallte durch das ganze Haus. Wie von
Sinnen verließen die Bewohner ihre Wohnungen.
    Janett Brunch riß die Tür zum Kinderzimmer auf.
Friedlich lag das Kind in dem kleinen Bett und merkte nichts von dem
Grauenvollen.
    »Du wolltest Betty hier zurücklassen? Du Unmensch, das
werde ich dir nicht vergessen, nie! Hörst du?« Haß, Zorn und Verzweiflung
mischten sich unter ihre Angst, die sie bis in die äußersten Fasern ihrer
Nerven erbeben ließ.
    »Wir müssen gehen, hörst du, ich… aaahhh!« Davids
langgezogener Schrei erschütterte sie – das Dach war plötzlich weg. Die beiden
oberen Stockwerke waren verschwunden. Nakor hatte sie mit einer Bewegung
einfach weggefegt. Eiskalt fegte die Luft über den Kopf der entsetzten jungen
Mutter hinweg. Sand und Betonbrocken bröckelten herab. Die Wohnung lag offen
unter dem eisigen Nachthimmel – wie ein Puppenhaus, in das man hineinsehen
konnte.
    Janett Brunch riß ihr Kind in die Arme. Durch den
festen Griff erschrak das Kleine und fing an zu schreien.
    Nakor stand direkt in der Straßenschlucht vor dem
Hochhaus.
    Der riesige, kantige Kopf ruckte herum. Wild glühende
Augen waren in die offen liegende Wohnung gerichtet.
    Janett lief durch die Tür, die ihr Mann schon geöffnet
hatte. Sie hing schief in den Angeln und ließ sich nicht mehr ganz öffnen, da
ein großer Stein genau dahinter lag.
    David Brunch stand schwankend da, Schweiß lief über
sein Gesicht. »Schnell! Renn die Treppe hinunter, bringt euch in Sicherheit!«
Mehr brachte er nicht mehr heraus. Seine Augen brachen.
    Janett Brunch erschauerte und begriff, weshalb David
so fürchterlich geschrieen hatte. Es war nicht deshalb, weil die oberen
Stockwerke wie mit einer Sense abgeschnitten worden waren, sondern weil ihn ein
herabrutschender, scharfkantiger Eisenträger lebensgefährlich verletzt hatte.
    David Brunch fiel auf das Gesicht.
    Janett erkannte mit Grauen, daß ihrem Mann der ganze
Rücken aufgerissen war und ein Lungenflügel halb heraushing.
     
    ●
     
    Wie in Trance eilte sie auf den Gang hinaus.
    Drunten schubsten sich die Menschen. Es roch nach
Rauch und Schweiß. Hinter Janett krachte es. Eine Zwischenmauer stürzte ein.
Wasser sprudelte aus Leitungen und ergoß sich als ein unaufhaltsamer Strom über
die Tapeten, die sich von den Wänden lösten. Möbel, Teppiche wurden unter
Wasser gesetzt.
    Janett rannte automatisch die Treppe herunter,
schluchzte, und über ihr totenbleiches Gesicht liefen Tränen und mischten sich
mit den Schweißperlen.
    Die Menschen in dem völlig überfüllten Fahrstuhl waren
hoffnungslos eingesperrt. Die Stromversorgung war ausgefallen, der Lift steckte
zwischen den Stockwerken. Die Eingeschlossenen riefen um Hilfe und trommelten
verzweifelt gegen die Tür. Aber niemand konnte helfen. Jeder war mit sich
selbst beschäftigt. Alles rannte, floh und schrie.
    Eine ältere Frau lag auf den Stufen. Man hatte sie
einfach niedergetrampelt.
    Janett empfand gar nichts. Es war, als hätte sich eine
Hornhaut um ihre Seele gelegt.
    Sie lief, so schnell sie konnte, und hielt den
Säugling fest und schützend an sich gepreßt. Schreie erfüllten das dachlose
Haus, Nakors Riesenschädel wuchs wie ein bizarrer, vibrierender Berg über das
Gerüst der Betonwände und stählernen Träger hinaus.
    Die Menschen waren halb wahnsinnig vor Angst, und ehe
sich Janett Brunch versah, befand sie sich inmitten des Hexenkessels und
schubste und stieß und schrie mit.
    Im allgemeinen Durcheinander wurde sie mit nach unten
gezerrt, war eingeengt zwischen den Körpern, mußte mit im Strom und konnte sich
eigentlich nicht so bewegen, wie sie gern wollte.
    Hände krallten sich in ihr Gesicht, an ihren Haaren
wurde gezerrt, sie erhielt Stöße und Knüffe in die Seite und in den Rücken.
Aber sie fiel nicht, und gelangte auch nicht schneller nach unten, weil die
Mauer aus Menschenleibern ihrem eigenen Trägheitsgesetz unterworfen war.
    Janett begriff nicht, daß sich das Leben von einem
Augenblick zum anderen von Grund auf verändert hatte. Schützend hielt sie das
Kind an sich gepreßt und hatte eine Hand auf dem Kopf liegen, um es vor Stößen
zu bewahren. Es schrie nicht mehr, war ganz still, als ob es schliefe.
    Dann war sie endlich unten. Alles drängte hinaus. Der
Eingang war groß. Alle liefen davon, ohne sich ein einziges Mal umzudrehen. Das
Hochhaus stand wie ein Knochengerippe da. Überall loderten Brände, Qualm
erfüllte die Luft und reizte zum Husten.
    Die Szene
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