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074 - Die mordenden Leichen

074 - Die mordenden Leichen

Titel: 074 - Die mordenden Leichen
Autoren: John E. Muller
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auf, und die Stille war bedrückend. Bei dem Gekratze wußte man wenigstens, von wo der Angriff zu erwarten war.
    Die Minuten verrannen. Fenner warf einen Blick auf seine Armbanduhr und stellte mit Erstaunen fest, wie langsam die Zeit verging. Es schien ihm, als seien Stunden vergangen, seit Chambers sagte, daß es acht Uhr fünfzehn war, dabei waren seither nur dreizehn Minuten vergangen. Er hob die Uhr an sein Ohr. Sie tickte ganz normal, er hatte sie noch vor zwei Stunden aufgezogen.
    Die Schatten in den Ecken wurden länger. Das Feuer im Kamin knisterte und starb langsam, als hätte eine unsichtbare Hand Wasser darauf gegossen. Ein kalter Luftzug kroch ihm über den Rücken. Instinktiv sah er nach dem Fenster, doch die Vorhänge hingen reglos und schwer wie zuvor. Der kalte Hauch kam von irgendwo im Zimmer, nicht von draußen.
    „Es tut sich was, Paul!“ Fenners Stimme klang seltsam hohl. „Kalte Luft kommt von irgendwo im Zimmer, und das Feuer droht auszugehen.“
    „Das habe ich erwartet. Fürchtet euch vor nichts, was immer ihr auch sehen mögt. Sie werden zuerst versuchen, uns in Angst zu versetzen, ehe sie zum wirklichen Schlag ausholen. Sie hoffen, daß sie uns dazu bringen können, aus dem Kreis zu treten. Wenn wir das tun, sind wir ihnen ausgeliefert.“
    „Machen Sie sich keine Sorgen, Paul“, gab Fenner zurück. „Ich habe nicht die geringste Absicht, mich von diesem Fleck zu rühren.“
    „Gut. Und vergeßt nicht, zu beten, wenn etwas materialisiert. Kein kompliziertes Gebet, weil ihr die Worte vergessen werdet. Wiederholt ganz einfach immer wieder mit lauter Stimme die Worte: Gott schütze uns.“
    Das Feuer im Kamin sank immer mehr in sich zusammen. Sogar das Licht der elektrischen Birnen war dumpfer geworden. Es wurde zusehends dunkler im Zimmer. Die Flammen der Kerzen blafften wild in der kalten Zugluft, und Fenner empfand plötzlich Panik bei dem Gedanken, was geschehen würde, wenn die Kerzen ausgingen.
    Etwas kreischte wild und schrill auf vor dem Fenster. Fenner spürte, wie Angela hinter seinem Rücken zusammenzuckte. Sie schrie entsetzt auf. Etwas Dunkles und Monströses, schwer zu Beschreibens, tauchte plötzlich hinter dem Fenster auf, sichtbar, weil das Mondlicht genau hinter der Erscheinung war und seinen Schatten auf die Vorhänge warf.
    „Ignorieren!“ befahl Chambers warnend.
    Fenner sank zurück. Ohne es zu wissen war er sehr nahe an den Rand des Kreises herangekommen. Sein Herz versagte fast, als ihm das bewußt wurde.
    Er begann, leise vor sich hin zu beten. Hinter ihm wiederholte das Mädchen die Worte wieder und wieder, mit lauter, klarer Stimme, die nur manchmal zu zittern schien.
    War es Einbildung, oder war das Licht wirklich heller geworden, als das Mädchen mit seinem Gebet begann? Auch das Feuer schien mit neuer Kraft zu brennen.
    Er hörte, wie Chambers hinter ihm einen überraschten Seufzer ausstieß, war aber nun klug genug, seinen Kopf nicht zu wenden. Das Grauen lauerte in allen vier Ecken, nur ein wenig zurückgezogen, aber immer noch gegenwärtig. Fenner starrte angestrengt auf die Stelle, wo er es zuletzt gesehen hatte, damit er nicht übersehen konnte, wann es wieder hervorkam.
    Lange saß er so da, aufrecht und unbeweglich. Das Mädchen betete immer noch, doch ihre Worte kamen stockend und wirr, als sei sie nahe daran, einzuschlafen.
    Der Schatten verdichtete sich, nahm Gestalt an, drückte sich in die Ecke. Noch konnte Fenner die Wand durch den Schatten hindurch sehen. Dann wurden die Umrisse deutlicher. Sekunden später sah er in die rotglühenden, haßerfüllten Augen von Henry de Ruys.
    Mit äußerster Anstrengung gelang es ihm zu sprechen. Es war mehr ein heiseres Krächzen, als er sagte: „Es ist da, Paul. Es hockt in der Ecke.“
    „Wie sieht es aus?“
    „Wir sahen es schon einmal oben auf dem Schloß. Es ist die Erscheinung, die sich Henry de Ruys nennt.“
    „So ist der alte Teufel also selber gekommen, ha?“
    Der Schatten bewegte sich im Zimmer hin und her, sprang von einem Standort zum anderen, so daß man kaum mit den Augen folgen konnte.
    Fenner vernahm, daß Chambers mit monotoner Stimme unverständliche Worte murmelte, die er noch nie zuvor gehört hatte.
    Der Schatten zog sich ein wenig zurück, die rotglühenden Augen blieben aber unverwandt auf Fenners Gesicht geheftet, schienen ihn zu hypnotisieren. Er wünschte sich sehnlichst, aufzustehen und den Kreidekreis zu verlassen, um in das verhaßte Gesicht zu schlagen.
    Noch ehe er
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