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073 - Der Schlaechter

073 - Der Schlaechter

Titel: 073 - Der Schlaechter
Autoren: Marc Agapit
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zerspringen.
    Dann blieb es zur Abwechslung stehen, und ich keuchte vor Atemnot. Mein Gesicht wechselte im Nu die Farbe. Erst war es dunkelrot, jetzt kreidebleich.
    Dr. Kappa hatte mir geraten, ihn aufzusuchen, sobald mit meinem Herzen etwas nicht stimmte. Aber er würde sich über meine unglaubwürdige Geschichte nur lustig machen.
    „Wenn du hingehst, mache ich dich kalt!“
    Mein Herz konnte sogar Gedanken lesen! Die Qual fing von neuem an: Es preßte das Blut in mein Gehirn. Um es zu beruhigen, beschloß ich, Dr. Kappa nicht aufzusuchen. Daraufhin klopfte es siegesgewiß in meiner Brust, was ich wie eine etwas rauhe Zärtlichkeit empfand. Aber was mache ich ohne Waffe, fragte ich mich. Außerdem wußte ich gar nicht, wie ich damit umgehen sollte. Wenn ich bewaffnet bei ihnen auftauche, werde ich so zittern, daß sie es sind, die mich töten.
    Das Herz wischte diesen Einwand fort: „Macht nichts, Junge. Vater hat an alles gedacht. Ich weiß doch, daß du die Hosen voll hast. Du mußt nur deine Lauscher aufstellen und das tun, was ich dir sage. Ich bin der Boß hier, verstanden?“
    Daraufhin entwickelte der Ganove seinen Plan. Ich wußte, daß ich das tun mußte, was er von mir verlangte. Ich war sein Roboter, sein Sklave, seine Angelegenheiten waren die meinen geworden. Ich war nicht mehr der arme, brave Bürger von einst, der nicht einmal einer Fliege etwas zuleide tun konnte. Ich war ein Verbrecher, der sich rächen wollte und nichts als Rachegelüste verspürte.
    Er hielt mich in seinen Klauen und zwang mir seinen Willen auf. Wenn zwei einander fremde Organismen auf so grauenvolle Weise ineinander verschmelzen, frißt der kleinere den größeren unerbittlich auf, so wie eine kleine Schlange nach und nach ein großes Tier verschlingt. Der Gangster höhlte mich von innen her aus.
    Öfter kam es mir vor, als trüge ich in mir nicht nur das Herz dieses Menschen, sondern auch seinen ganzen Körper. Wenn auch nicht mit Haut, Knochen und Muskeln, so doch mit seinem Wesen, seinem Geist, der sich in meinen Adern, meinen Knochen, meinen Muskeln, meinem Gehirn und selbst in meiner Seele ausbreitete wie eine tausendarmige Krake, die mich bei lebendigem Leib verschlang.
     

     

Ein Polizist kam suchenden Blickes in das Lokal. Aber er ging wieder hinaus, ohne sich aufzuhalten oder etwas zu bestellen. Doch sein Erscheinen genügte. Der Verbrecher zahlte und verschwand wie ein Schatten. Er hielt es wohl für richtiger, sich nicht zu sehr in der Öffentlichkeit zu zeigen und ging wahrscheinlich nach Hause.
    Wo wohnte er wohl?
    „Weiß ich das? Idiot! Du mußt’rauskriegen, wo das Schwein sich eingenistet hat“, erklang wieder die Stimme im unerträglichen Gangsterslang.
    Zu spät, er war schon fort.
    Die Frau winkte mir grüßend zu. Ich hörte, wie sie zum Kellner sagte, daß sie noch etwas zu erledigen hätte, bevor sie ging.
    „Los, schleich’ dich ran, verdammt noch mal!“
    Ich beglich meine Rechnung und verließ das Cafe. Ich sah die Frau gerade in der Menge untertauchen.
    „Du kannst deine Galoschen wohl nicht ein bißchen schneller heben, he?“
    Das Herz pochte gegen meine Brust, um mich anzutreiben. Ich beschleunigte meine Schritte. Die Frau wandte sich nach links und bog in eine Querstraße ein. Kurz darauf trat sie in ein Haus. Wenn sie dort wohnten, war es nicht weit von Chez Laluche.
    Es war kein Hotel. An der Tür konnte ich lesen: Möblierte Zimmer zu vermieten.
    Aha, dachte ich. In einem möblierten Zimmer brauchten sie keine Angst zu haben, daß ein Kellner oder ein Zimmermädchen plötzlich eintreten, oder in ihrem Schrank herumwühlen konnte. Denn irgendwo mußten sie das Geld ja versteckt halten.
    Das Haus hatte nur drei Etagen. Es war alt und baufällig. Ich trat durch den Eingang und befand mich in einem engen Flur. Rechts und links waren je eine Tür. An der rechten hing ein Zettel mit der Aufschrift: Portier. Die linke Tür trug den Namen des Wohnungsinhabers. Im Hintergrund entdeckte ich eine Treppe und eine Reihe Briefkästen.
    Jeder Mieter hatte also seinen eigenen Briefkasten und Hausschlüssel. Es gab keine Hausmeisterin, bei der man klingeln mußte, oder die einsam die Post aufs Zimmer brachte. Und die Portiersloge hatte kein Fenster. Man konnte also kommen und gehen, ohne gesehen zu werden.
    Ich schlich mich in die erste Etage. Auch hier waren, wie unten, rechts und links je eine Tür. Ob ich irgendwo klopfen und nach den beiden fragen sollte? Ich wußte ja nicht einmal wie sie
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