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073 - Der Schlaechter

073 - Der Schlaechter

Titel: 073 - Der Schlaechter
Autoren: Marc Agapit
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Frankreich.“
    „Zu wem? Wohin? Warum?“
    Wieder keine Antwort.
    „Nehmen Sie mir die Kette ab. Ich verspreche Ihnen, daß ich nicht versuchen werde, zu fliehen. Abgesehen davon wäre es ein bißchen schwierig auf offener See.“
    „Dazu bin ich nicht befugt“, antwortete sie stereotyp.
    „Gib es hier Männer an Bord?“
    „Nein. Nur Frauen. Weibliche Matrosen.“
    „Aha. Und Ihr Herr? Ist es in Wirklichkeit ein Mann oder eine Frau?“
    „Ein Mann.“
    „Und was macht dieser Mann? Wer ist es? Was hat er für einen Beruf?“
    Sie zögerte lange mit der Antwort. Endlich sagte sie:
    „Er ist Chirurg.“
    Dr. Heintz sah erstaunt auf. Ein Kollege. Einerseits beruhigte ihn diese Tatsache, andererseits alarmierte sie ihn. Was sollte er von einem Chirurgen halten, der einen Berufskollegen verschleppte? Dieser Mann konnte doch nur kriminelle Motive dafür haben, wenn er überhaupt Arzt war. War er verrückt?
    Was wollte er damit bezwecken? Was machte so ein Mann mit einem Schiff, das nur von weiblichen Matrosen gelenkt wurde?
    Dr. Heintz schloß verwirrt die Augen. Zuviel war zu klären. Als er sie wieder öffnete, war Marie Languet lautlos verschwunden und hatte die Tür geschlossen.
     

     

Einige Tage vergingen. Ein junges Mädchen in schwarzem Anzug und mit schwarzem Käppchen brachte dem Entführten regelmäßig reichliches, gutes Essen und Getränke. Aber sie war stumm wie ein Fisch und schien irgendwelchen geheimen Befehlen zu gehorchen.
    Dr. Heintz schlief sehr viel. Es mußte etwas in seinem Essen oder in seinen Getränken sein. Den Kapitän des Schiffes bekam er nicht mehr zu Gesicht, obwohl er mehrmals darum bat, sie sehen zu dürfen.

     
    Und dann, eines nachts, wachte er in einem fremden Zimmer auf. Man hatte ihn an Land gebracht, während er schlief. Dieses Zimmer war mit kostbaren Möbeln eingerichtet. Ein Kronleuchter verbreitete blendende Helle im Raum. Dieses Licht hatte Dr. Heintz aus dem Schlaf gerissen.
    Er sprang vom Bett auf und näherte sich einem der beiden Fenster. Da er tagelang ohne Bewegung war, konnte er seine Glieder kaum bewegen. Vor den Fenstern waren dicke Eisenstäbe angebracht. Sie gaben den Blick auf einen Park frei, der friedlich im Mondlicht dalag. Der
    Arzt schätzte, daß er sich in der zweiten Etage befinden mußte. Er öffnete die Fensterflügel und steckte den Kopf zwischen die Gitter. Vor ihm rauschte das Meer. Die frische Nachtluft ließ ihn frösteln, er schloß das Fenster wieder.
    Erst jetzt bemerkte er, daß man ihm die Kette abgenommen hatte. Gleichzeitig stellte er fest, daß er schon anfing, das tagelang gefesselte Bein automatisch ein wenig nachzuziehen, so wie es früher Galeerensträflingen eigen war, denen man die Freiheit wiedergegeben hatte. Bei jenen war es die ihnen angeschmiedete Kugel, die sie zwang, so zu laufen; bei ihm war es das ständige Ziehen an seiner Fessel, um mehr Reichweite zu bekommen.
    Dr. Heintz war sehr erstaunt, als er merkte, daß die Tür sich öffnen ließ.
    Er wollte sie gerade ganz aufstoßen, als er erschreckt zurückwich.
    Auf der Schwelle standen drei Männer, ein weißhäutiger Mann von mittlerer Größe und rechts und links von ihm zwei riesenhafte Neger.
     

     
    Die drei Gestalten drängten Dr. Heintz rückwärts, bis dieser an sein Bett stieß. Völlig verwirrt blickte er den Männern entgegen, von denen etwas Bedrohliches ausging. Ihre Blicke waren starr auf seine Augen gerichtet, so als ob er hypnotisiert werden sollte. In der Mitte des Raumes blieben sie stehen, ohne ihr seltsames Gebaren aufzugeben.
    Dr. Heintz ließ sich nicht einschüchtern. Er setzte sich auf sein Bett, verschränkte die Arme und wartete. Da löste sich die mittlere Gestalt aus der Gruppe und ging auf den Arzt zu. Der Mann lächelte beruhigend und bedeutete den beiden Schwarzen, rechts und links von der Tür Posten zu beziehen. Dann brach er das Schweigen.
    „Darf ich mich Ihnen vorstellen? Ich bin der Herr des Hauses. Der Name tut nichts zur Sache. Ich bin Chirurg wie Sie. Ich weiß, daß Sie Französisch fast ebenso gut sprechen wie Englisch. Vielleicht sprechen Sie auch noch Deutsch, Ihrem Namen nach zu urteilen?“
    „Carl Heintz“, sagte der amerikanische Arzt.
    „Ich weiß“, erwiderte der andere lakonisch.
    Daraufhin schwieg Dr. Heintz, in Erwartung des Kommenden. Sein Gegenüber war groß, er wirkte nur neben den baumlangen schwarzen Riesen kleiner. Ein stämmiger, untersetzter Mann mit kugelrundem Kopf und rundlichem Gesicht.
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