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073 - Der Schlaechter

073 - Der Schlaechter

Titel: 073 - Der Schlaechter
Autoren: Marc Agapit
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Auffallend waren die vorstehenden Knopfaugen. Er trug einen makellos weißen, tadellos gebügelten Arztkittel. Die Hände des Mannes waren stark und wiesen kurze Daumen auf. Er bewegte sie ununterbrochen beim Reden, so als ob er seinen Worten damit Nachdruck verleihen wollte.
    Im Augenblick jedoch sprach niemand.
    „Sind Sie Italiener?“ brach endlich Dr. Heintz das unangenehme Schweigen.
    „Wie kommen Sie darauf?“
    „Ihre Hände, Ihre Gesten …“
    Der Mann lächelte und betrachtete seine Hände.
    „Tja“, sagte er. „Ich muß wohl einen italienischen Vorfahren gehabt haben, denn mein Name endet auf‚ i’. Aber ich habe auch deutsche Ahnen. Ich bin jedoch Franzose. Ich habe in Paris promoviert und auf dem Gebiet der Chirurgie praktiziert. Ich hatte einen schweren Anfang. Ich war unbekannt, ohne Patienten. Also nahm ich Abtreibungen vor und andere gesetzwidrige Dinge. Das brachte mir ein Jahr Gefängnis ein. Ich bekam Berufsverbot. Was hätten Sie an meiner Stelle gemacht?“
    „Ich hätte mich umgebracht“, sagte Dr. Heintz aufs Geratewohl.
    „Pah! Nicht wenn Sie Genie besäßen. Ich bin nämlich ein Genie. Ein Mann dieser Art bringt sich nicht um. Er ignoriert die Gesetze und kommt auch ohne sie zu seinem Ziel. Da ich nun einmal den schlechten Weg eingeschlagen hatte, mußte ich ihn auch weiter verfolgen. Wovon sollte ich denn leben? Ich fand ein Mittel, wie ich zu Geld kam, zu sehr viel Geld. Ein illegales Mittel, versteht sich. Jetzt bin ich so reich, daß ich nicht mehr auf Patienten angewiesen bin. Trotzdem betreibe ich die Chirurgie weiter, denn sie ist mein Lebensinhalt. Aber ich mache das zu meinem persönlichen Vergnügen, und außerhalb des Gesetzes. Ich heile keine Kranken. Ich amputiere Arme und Beine und verpflanze Organe, und das alles nur aus Spaß an der Sache. Was sagen Sie dazu?“
    „Ich komme da nicht ganz mit“, meinte Dr. Heintz. „Sie sagen, daß Sie keine Kranken heilen. Ja, was tun Sie dann?“
    „Das werden Sie später sehen. Unterbrechen Sie mich nicht.“
    „Aber Sie haben mich doch gefragt!“
    „Das war keine Frage“, sagte der seltsame Arzt. „Das sollte nur eine schöpferische Denkpause sein. Also, ich fahre fort. Wie ich schon sagte, wurde ich reich. Vor einigen Jahren kaufte ich das Schloß, in dem wir uns befinden. Hier in der Gegend nennt man es das‚ Teufelsschloß’. Man erzählt sich, daß es im Mittelalter im Besitz eines Grafen und dessen Sohn war, die direkt vom Teufel abstammen sollten. Man sah die beiden in Gewitternächten durch Wald und Wiesen toben, begleitet von einer Schar Dämonen, Hexen, Vampiren und einer wilden Meute von Höllenhunden. Die Luft war erfüllt von ihren Schreien, Flüchen und Verwünschungen, und die Leute flüsterten sich zu:‚ Das ist die Höllenjagd, die Teufelsverfolgung …’ Inzwischen ist diese Grafenlinie ausgestorben, das Schloß restauriert und teilweise neu erbaut. Aber die Leute nennen es immer noch das Teufelsschloß. Und der Teufel, das bin ich. Haben Sie keine Angst?“
    „Überhaupt nicht“, erklärte Dr. Heintz und lächelte.
    „Sie werden noch Angst bekommen. Aber jetzt sind Sie dran. Sie haben doch sicher Fragen an mich.“
    „Ja, eine. Aber Sie kennen sie sicher und können mir antworten, ohne daß ich die Frage erst stellen muß.“
    „Ich bewundere Ihre Ruhe. Ich hatte einen völlig eingeschüchterten Mann erwartet.“
    „Ich wäre ein schlechter Chirurg, wenn ich nicht Ruhe bewahren könnte“, erwiderte Heintz.
    „Gut gesagt. Jetzt die Antwort auf Ihre unausgesprochene Frage: Ich habe Sie entführen lassen, weil ich Siebrauche.“
    „Wofür?“
    „Zunächst einmal, um mir Gesellschaff zu leisten.“
    „Ich verstehe nicht.“
    „Ich brauche einen intelligenten Menschen, mit dem ich wissenschaftliche Probleme erörtern kann, jemanden, der mich geistig anregt. Sehen Sie, ich bin nur von Robotern umgeben.“
    Der Mann zeigte auf die beiden Schwarzen, die an der Tür Wache hielten.
    „Auch die weiblichen Matrosen, die Sie gesehen haben, sind Roboter. Ich besitze eine ganze Armee von Dienern, die ich zu lebenden Maschinen gemacht habe. Sie gehorchen mir auf den kleinsten Wink, und ich brauche nicht zu befürchten, daß sie meine Geheimnisse verraten.“
    „Roboter?“ fragte Dr. Heintz, der hellhörig geworden war.
    „Ja. Ich habe bei ihnen eine kleine Gehirnoperation durchgeführt.“
    „Lobotomie?“
    „So etwas Ähnliches, nur noch komplizierter. Ich erkläre Ihnen das später. Aber wo
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