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0714 - Die Totenfrau ist da

0714 - Die Totenfrau ist da

Titel: 0714 - Die Totenfrau ist da
Autoren: Jason Dark
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Grab. Hinter ihr türmte sich der Erdhügel hoch. Den Spaten hielt sie schräg, und zwar so, daß das blanke Blatt nach links zeigte.
    Vor ihm fürchtete sich Harriet. Er war an seiner unteren Kante sicherlich so scharf wie ein Messer und würde sie nach mehreren Stößen zerstückeln können.
    Daß Helden auch Angst haben können, spürte sie am eigenen Leibe. Sie hatte Mühe, ihr Zittern zu unterdrücken, aber sie lief nicht weg, nein, sie ging sogar vor.
    Ihr Körper reagierte fast normal. Es waren keine Schmerzen mehr zu spüren, jetzt konzentrierte sie sich einzig und allein auf die vor ihr liegende Aufgabe.
    »Ja, komm nur näher!« flüsterte das häßliche, alte Weib. »Komm nur her, Harriet…«
    Sie ging weiter.
    Selma bewegte den Spaten. Das Mondlicht fiel auf sein blankes Blatt und hinterließ dort einen blassen, gefährlichen Schimmer. Selma bewegte ihren Oberkörper nach vorn und sorgte dabei für leichte Pendelbewegungen. Den Spaten hielt sie starr.
    Urplötzlich rannte sie los.
    Sie kreischte dabei. »Zur Hölle werde ich dich schicken, du alte Vettel! Warte nur, ich mache dich fertig!«
    Harriet Slade wartete nicht, bis sie das Spatenblatt im Leib erwischte. Sie drehte sich weg, lief einige Schritte und schlug sogar einen Bogen. Dabei wunderte sie sich, wie leicht es gewesen war, der Waffe auszuweichen, doch als sie das häßliche Lachen hörte, wußte sie auch, daß sie auf eine Finte hereingefallen war.
    Die andere war hinter ihr.
    Und sie bot ihr ausgerechnet den Rücken an. Schräg vor sich sah sie das Grab, das sie im Augenblick nicht interessierte. Sie mußte sehen, was hinter ihr war.
    Als sie das Keuchen hörte, wirbelte sie herum.
    Vor ihr stand Selma Scott. Sie hatte den Spaten angehoben und hielt ihn wie eine Lanze. Es gab keine Zweifel, daß sie ihn auch so schleudern würde.
    Er flog auf Harriet zu, begleitet vom Schrei der schrecklichen Greisin. Aber ein Spaten war keine Lanze. Seine Gewichte waren anders verteilt, er blieb nicht auf dem direkten Weg.
    Harriet hätte es nicht mehr geschafft, dem Instrument zu entkommen. Ihr Glück war es, daß er sich noch in der Luft drehte, dabei mit dem Blatt wegkippte, sie aber trotzdem noch erwischte.
    Zum Glück mit dem Griff.
    Der Treffer war dennoch hart genug, um Sterne vor ihren Augen aufblitzen zu lassen.
    Das klumpige Ende des Griffs hatte sie zwischen Kinn und Wange getroffen, und sie hatte das Gefühl, von einem Pferd getreten worden zu sein. Harriet konnte nicht mehr auf der Stelle stehenbleiben, sie torkelte zurück, begleitet vom Lachen der Selma Scott, die ihr zuschaute und sich als die Siegerin fühlte.
    Harriet Slade wußte nicht mehr, was mit ihr geschehen war. Sie hatte den Überblick verloren, torkelte immer weiter zurück und merkte nicht, wie nahe sie dabei dem offenen Grab kam.
    Selma Scott aber lief vor. Es paßte ihr nicht, daß sie den Spaten verloren hatte. Sie wollte ihn sich wiederholen, hatte ihn bald erreicht, bückte sich, und genau in diesem Augenblick hatte Harriet Slade den Grabrand erreicht und trat mit dem rechten Fuß ins Leere.
    Sie schrie und fiel…
    ***
    Auch ich hörte den Schrei, dann sah ich den Schatten über mir. Im nächsten Moment prallte er auf und gegen mich.
    Zum Glück nicht auf meinen Kopf, Harriet Slade landete auf meinen Beinen. Jetzt war es von Vorteil, daß sie von einigen Lehmladungen bedeckt wurden, das dämpfte den Aufprall etwas.
    Sie klappte zusammen. In der Enge des Grabes nahm ihre Haltung, als sie einen Arm ausstreckte, groteske Züge an, doch sie stützte sich ab und fiel nicht auf mich.
    Auch war sie weicher gelandet als ich, hatte sich nichts verstaucht oder gebrochen.
    »Harriet!« keuchte ich.
    Noch auf mir liegend, drehte sie sich herum. Sie schaute in mein Gesicht, ich starrte sie an, dann schüttelte sie den Kopf.
    »Ich… ich kann es nicht.«
    Mir war eine wahnsinnige Idee durch den Kopf gezuckt. »Ich kann mich nicht bewegen, Harriet. Kommen Sie näher - bitte. Aber kommen Sie schnell, bevor Selma erscheint.«
    »Wieso… aber was…?«
    »Kommen Sie!« drängte ich.
    Sie nickte und kroch über meinen Körper hinweg auf den Kopf zu. Ihr Gesicht war schmutzig, die Augen wirkten wie helle, fiebrige Kreise, sie starrte mich an, und ich sprach.
    »Keine Frage, Harriet. Tun Sie alles, was ich Ihnen sage. Nur so haben wir eine Chance.«
    »Und wie?«
    »Nehmen Sie meine Pistole.«
    »Was soll ich?«
    »Sie steckt im Gürtel, Harriet. Bitte, ich bin wie gelähmt, ich kann mich
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