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0714 - Die Totenfrau ist da

0714 - Die Totenfrau ist da

Titel: 0714 - Die Totenfrau ist da
Autoren: Jason Dark
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hoch wie ein versteinerter Schatten. Unter der Kapuze zeichnete sich bläulichbraun schimmernd das alte Gesicht mit den etwas helleren Augen darin ab.
    Eine böse, eine widerliche, eine haßerfüllte Fratze, aus der mir ein leises Kichern entgegenschwang, bevor sie eine Frage stellte. »Na, Sinclair, wie fühlt man sich in einem Grab?«
    Ich hatte Mühe, ihr eine Antwort zu geben und konnte nur flüstern. »Sehr gut.«
    »Das wird sich ändern.«
    Sie trat zurück, bevor ich noch etwas sagen konnte. Selma geriet aus meinem Blickfeld, und als ich sie dann wieder sah, hielt sie den Spaten. Sie hob ihn an, drückte ihn vor und ließ ihn mit der Kante des Spatenblatts nach unten über der Graböffnung schweben. »Wenn ich ihn jetzt fallen lasse, durchbohrt er deinen Bauch, Sinclair, aber das habe ich ja nicht vor. Ich will dich lebendig begraben. Du willst in Würde sterben. Hyram hat immer wieder von dir gesprochen, ich bin recht gut über dich informiert worden, und deshalb habe ich mich für diese Möglichkeit entschlossen. Stirb in feuchter Erde, Sinclair!«
    Sie trat wieder zurück.
    Ich wartete und lauschte gleichzeitig auf bestimmte Geräusche, die zunächst nur in meiner Phantasie zu hören waren, dann real wurden, als Selma das Spatenblatt in den Lehmhaufen stieß. Es hörte sich an, als hätte sie in Teig geschlagen.
    Sie kam wieder.
    Diesmal mit einer vollen Schaufel.
    Eine kurze Drehung, ein kleiner Schwung, dann verließ die Ladung den Spaten und fiel nach unten.
    Wie hart Erde sein kann, erlebte ich eine Sekunde später, als sie auf meine Beine prallte. Ich hatte den Eindruck, von einer Eisenladung getroffen zu werden, und meine Schienbeine durchzog ein harter Schlag. Die Frau ließ sich mit der zweiten Ladung Zeit. »Na?« höhnte sie mir entgegen. »Paßt es?«
    Ich sagte nichts, nur meine Lippen verzogen sich. Sie aber ging weg, kam zurück, und die nächste Ladung flog mir entgegen. Diesmal erwischte sie nicht meine Beine, sondern meinen Bauch. Und wieder hatte ich das Gefühl, als hätte jemand mit einem breiten Brett drauf geschlagen. Ein wuchtiger Hieb, der mir nicht nur die Luft raubte, sondern auch Übelkeit in mir hochsteigen ließ.
    Sie aber lachte und machte weiter.
    Dabei ging sie so raffiniert vor, daß sie meinen Kopf, den Hals und einen Teil der Brust freiließ. Das wollte sie erst zum Schluß mit Graberde bedecken.
    Noch zwei Ladungen hieben gegen mich.
    Wollte sie mich foltern? Sollte ich mich noch länger auf meinen ›Tod‹ vorbereiten können?
    Ich lag da und konnte nicht einmal den kleinen Finger richtig bewegen. Auf meinem Unterkörper drückte die Last der Erdmenge. Ich hatte das Gefühl, in den Boden hineingepreßt zu werden, so schwer war sie. Mein tiefes, keuchendes Luftholen erfüllte das rechteckige Grab, aber es wurde von einem anderen Geräusch überlagert.
    Eine Frauenstimme drang an meine Ohren. Es war nicht die der Selma Scott, obwohl sie zuvor schon gesprochen, ich aber auf die Worte nicht geachtet hatte.
    »Ja, Selma, ich bin da.«
    Himmel, wer war das?
    Ich lag da, kam mir schon vor wie ein Toter und dachte über diese Stimme nach.
    Die kannte ich. Wo, zum Henker, hatte ich sie schon einmal gehört? Ich wußte es im Moment nicht, aber meine Gedanken arbeiteten fieberhaft, und ein Adrenalinstoß durchschoß meinen Körper. Ich spürte so etwas wie Hoffnung, und plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Ohren.
    Ja, diese Frau hatte sich auch mit mir unterhalten. Und das war genau hier auf dem Friedhof gewesen, als ich an Dr. Scotts Beerdigung teilgenommen hatte.
    Eine Miß war es gewesen.
    Sogar der Name fiel mir jetzt ein.
    Slade, hieß sie…
    Meine Gedankenkette riß, denn ich hörte über mir Geräusche. »Zur Hölle werde ich dich schicken, du alte Vettel! Warte nur, ich mach dich fertig.«
    Diesmal hatte Selma gesprochen, und meine Hoffnung schmolz dahin wie Eis auf der heißen Herdplatte…
    ***
    Jetzt mußt du eine Heldin sein! Jetzt mußt du über deinen eigenen Schatten springen!
    Das hämmerte sich Harriet Slade immer wieder ein. Diese Sätze waren wie Trommelschläge, die ihr Gehirn malträtierten, und sie sah nur den Weg nach vorn.
    Kein Zurück mehr.
    Auch wenn es ihr schwerfiel, denn die veränderte Selma Scott hatte ihr bereits erklärt, was sie mit ihr machen wollte. Die Katzen waren verschwunden, lauerten sicherlich irgendwo in den Büschen, aber darauf kam es jetzt nicht an.
    Harriet hatte nur Augen für Selma Scott!
    Sie stand breitbeinig neben dem
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