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07 Von fremder Hand

07 Von fremder Hand

Titel: 07 Von fremder Hand
Autoren: Deborah Crombie
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einmal den Gedanken an etwas Derartiges zulassen. Auf diesem Weg lag Wahnsinn.
      Ein Skateboarder schoss mit ratternden Rädern an ihm vorüber. »Woll’n Sie da Wurzeln schlagen, Mister?«, rief der Junge. Jack taumelte mit unstetem Schritt weiter, überquerte die High Street am unteren Ende und trat auf das George & Pilgrims zu. Als er die schwere Tür des Gasthauses erreichte, wurde sie aufgerissen, und ein Schwall von Zechern ergoss sich nach draußen und drängte an ihm vorbei. Ein Wölkchen von Gelächter und Rauch wehte ihm entgegen und versprach Zuflucht und Geborgenheit, bevor der Wind Klänge und Gerüche wieder verwehte. Und dann hörte er, er hätte es schwören können, ganz leise das Läuten von Glocken.
     
    Die Katzen schliefen im Hof und genossen die Mittagswärme der blassen Frühlingssonne. Jede hatte ihr eigenes Plätzchen - einen Blumenkübel, die ausgetretene Stufe vor der Küchentüre, die Motorhaube des alten weißen Lieferwagens, mit dem Garnet Todd ihre Fliesen ausfuhr -, und nur das gelegentliche Zucken eines Katzenohrs oder -schwanzes verriet, dass sie das Rascheln der Mäuse im Stroh sehr wohl wahrnahmen.
      Garnet stand in der Tür ihrer Werkstatt und wischte sich die Hände an der Lederschürze ab, die sie zum Schutz vor der Hitze des Brennofens trug. Sie war fast fertig mit ihrem neuesten Auftrag, der Restaurierung der Bodenfliesen in einer Kirche aus dem zwölften Jahrhundert am Rande der Ebene von Salisbury. Die Herstellung der Fliesen verlangte höchste Sorgfalt. Das Muster, das die wenigen erhaltenen Überreste des Fußbodens vorschrieben, musste genau getroffen werden, und dabei durften nur solche Materialien und Techniken verwendet werden, die auch den Handwerkskünstlern in der damaligen Zeit zur Verfügung gestanden hatten. Dann kam das Verlegen, eine mühselige und diffizile Arbeit, für die sie Stunden auf Händen und Knien verbringen und die feuchte, modrige Luft der alten Kirche einatmen musste.
      Aber Garnet machte das alles nichts aus. Umgeben von alten Dingen, fühlte sie sich am wohlsten. Nicht einmal ihre Arbeit als Hebamme - auch wenn sie zu Ehren der Göttin erfolgt war - hatte ihr eine ausreichend tiefe emotionale Bindung an die Vergangenheit verschaffen können.
      Ihre Farm, ein heruntergekommener Hof, den sie vor mehr als fünfundzwanzig Jahren gekauft hatte, zeigte deutlich, wie wenig sie mit der Gegenwart anzufangen wusste. Das Haus stand weit oben am westlichen Abhang des Tor; seine zerklüftete Steinfassade stellte sich dem Wind in den Weg, der schon seit undenklichen Zeiten vom Gipfel des Hügels herabwehte. Die Schafe, die auf dem grasbewachsenen Hang weideten, waren ihre nächsten Nachbarn, und zumeist zog sie ihre Gesellschaft jeder anderen vor.
      Anfangs beabsichtigte sie noch, das Haus an die öffentliche Strom- und Wasserversorgung anschließen zu lassen, doch die Jahre vergingen, und sie gewöhnte sich daran, ohne diesen Komfort auszukommen. Das Laternenlicht spendete ihr ockerfarbene Wärme und angenehme Schatten, und warum sollte sie das mit Chemikalien vergiftete Wasser trinken, das die Stadt aus ihren Tanks pumpte, wenn es doch an der Quelle auf ihrem Grundstück direkt aus dem Herzen des heiligen Hügels hervorsprudelte? In dieser Stadt hatte man schon genug getan, um die alten und heiligen Dinge zu entweihen, da musste sie den Schaden nicht auch noch vergrößern.
      Der Schatten einer Wolke schoss den Abhang hinunter, und für einen Augenblick verdunkelte sich der Hof. Garnet erschauerte. Dion, die alte hellbraune Katze, die mit majestätischer Herablassung über den Rest der Brut herrschte, schälte sich aus ihrem Blumenkübel und kam auf Garnet zu, um sich an ihren Knöcheln zu reiben. »Du spürst es auch, nicht wahr, mein altes Mädchen?«, sagte Garnet leise, während sie sich bückte, um die Katze zu streicheln. »Irgendetwas braut sich zusammen.«
      Einmal, vor langer Zeit, hatte sie diesen Geruch in der Luft wahrgenommen, einmal schon hatte sie dieses ahnungsvolle Prickeln verspürt, und die Erinnerung an das Ende der Geschichte erfüllte sie mit Schrecken.
      Glastonbury war immer schon ein Ort geheimnisvoller Kräfte gewesen, ein Angelpunkt in jener uralten Schlacht zwischen den Mächten des Lichts und der Finsternis. Wenn dieses empfindliche Gleichgewicht gestört wurde, dann - das wusste Garnet - konnte nicht einmal die Göttin die Folgen vorhersehen.
     
    Glastonbury hatte einen sonderbaren Einfluss auf die
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