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069 - Der Vampir von Venedig

069 - Der Vampir von Venedig

Titel: 069 - Der Vampir von Venedig
Autoren: Dämonenkiller
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Klagenden und schritt auf das schmale Bett zu. In seinen Händen hielt er einen zugespitzten Eichenpfahl von der Dicke eines kräftigen Daumens. Aus seinem Leibgürtel zog er einen Holzschlegel, den er prüfend in der Hand wog.
    Die Stimmen der Klagenden wurden lauter. Die Frauen und Männer lösten sich von der Tür und schoben sich langsam an das schmale Bett heran, gaben ihren Halbkreis jedoch nicht auf.
    Paolo Grassi hatte sich erhoben, bekreuzigte sich noch einmal vor der Madonna unter dem Glassturz und griff dann nach dem geweihten Wasser. Er schien nicht zu hören, wie die Beamten unten vor dem Haus sich gegen die Tür warfen. Streng und gemessen waren seine Bewegungen. Sein Gesicht war nur noch eine Maske der Trauer und des Leids. Er tauchte die Fingerspitzen in das Weihwasser und besprengte dann seinen toten Sohn. Weit öffneten sich die Augen des Vaters, als an den Stellen, wo die Tropfen den Körper des Toten berührten, die Haut sich in narbigen, lederartigen Blasen aufwarf.
    Emilio zog die Leinendecke vom Leichnam, damit das Weihwasser den ganzen Körper erreichen konnte. Paolo hatte sich bereits wieder unter Kontrolle. Immer wieder tauchte er die Fingerspitzen in das geweihte Wasser und besprengte damit den toten Körper seines Jungen. Er reagierte kaum, als unten auf der Straße das Splittern von Holz zu hören war. Die Polizeibeamten warfen sich immer wieder gegen die einfache Tür und lösten sie langsam aus dem Rahmen.
    Emilio reichte seinem Vater eine flache Schale, in der Knoblauchzehen lagen. Gemeinsam mit seinem Vater schob er sie zwischen die steifen Finger seines toten Bruders. Fest preßten seine Lippen sich aufeinander, als die Hände sich daraufhin in Sekundenschnelle schwarz verfärbten. Vater und Sohn traten zurück und ließen den Leichnam nicht aus den Augen.
    Der Tote rührte sich.
    Ein leichtes Zucken war es zuerst, das durch seinen Körper ging, ein gurgelnder Laut entrang sich der Kehle, die Lippen öffneten sich wie im Krampf, schlossen sich wieder und zeigten dann plötzlich das grauenhafte Gebiß eines Raubtiers. Zwei spitze Reißzähne waren zu sehen, die nach einem Opfer zu gieren schienen. Die Augen öffneten sich, leere, tote Augen. Der Tote hob seinen Oberkörper an. Seine Hände bewegten sich im Zeitlupentempo, griffen nach den Längsbrettern des Bettgestells. Noch war nicht genügend Kraft in diesem Körper.
    Im Totenzimmer war es vollkommen ruhig geworden. Auf der Treppenstiege aber hörte man die genagelten Schuhe der Polizeibeamten, die nach oben stürmten.
    In diesem Augenblick trat Luigi Grassi neben den sich bewegenden Körper. Als Ältester der Familie mußte er es tun. Er hätte sich dieser Pflicht niemals entziehen können. Konzentriert und ohne Hast setzte er den angespitzten Eichenpfahl an und schlug mit dem Holzschlegel kraftvoll zu. Tränen liefen über die zerknitterten Wangen des alten Mannes.
    Der gepfählte Körper war längst zurückgefallen und begann sich aufzulösen. Luigi ließ sich widerstandslos von dem neben ihm stehenden Zivilbeamten den Holzschlegel aus der Hand reißen, sah diesen Mann überhaupt nicht.
    „Er möge mir verzeihen", murmelte der alte Mann. „Möge er seinen Frieden finden bis zum Tag. des Gerichts."
    Der Zivilbeamte hatte mit einem Blick gesehen, was hier vorgefallen war. Er winkte die ihm nachfolgenden Uniformierten zu sich heran, deutete auf den gepfählten Toten, wollte etwas sagen, wollte losschreien, konnte es jedoch nicht. Seine Augen hatten sich vor Entsetzen weit geöffnet. Er stammte aus Mailand und wußte nichts von den Kräften und Gesetzen jenseits der Vernunft.
    Die drei uniformierten Beamten aber wußten Bescheid. Sie wichen zurück, schlossen für einen kurzen Moment geblendet die Augen, als der Vater des Toten die Vorhänge vor den Fenstern energisch zur Seite riß.
    Licht ergoß sich in den Raum, fiel auf den Gepfählten. Mit dem Toten ging eine unheimliche Verwandlung vor, die zu glauben der Verstand sich weigerte. Die Haut wurde grau und trocknete aus, sie zerbröckelte wie Lehm, wurde quälend langsam zu Staub. Dies alles geschah wie im Zeitraffer vor den Augen des fassungslosen Zivilbeamten.
    Ihm wurde plötzlich schlecht. Er wandte sich hastig ab und rannte aus dem Zimmer, stieß mit Trauernden zusammen, merkte es überhaupt nicht und kam erst wieder zu sich, als er unten auf dem schmalen Gehsteig stand.
    Aus den geöffneten Fenstern waren jetzt die inbrünstigen Gebete der Trauernden zu vernehmen.

    Er
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