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0681 - Leichenschiff der Druiden

0681 - Leichenschiff der Druiden

Titel: 0681 - Leichenschiff der Druiden
Autoren: Jason Dark
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Fremder.
    Die Schüssel lag vor mir.
    Der Schnee war bereits aus ihr verschwunden. Nur an den flachen Hängen klebten noch einige schmutzige graue Flecken. Ansonsten war sie bewachsen mit Gras, kleinen Buschinseln, die nie höher wuchsen als ein Kinderbein und sich mit ihren Wurzeln in den Boden festgekrallt hatten.
    Mein Vater hielt es auch nicht mehr länger aus. Ich hörte, wie die Tür zuschnappte. Seine Schritte wurden lauter, schließlich blieb er neben mir stehen und atmete tief auf.
    »Geht es dir gut, Dad?«, fragte ich.
    »Ja, mein Sohn, ja. Es geht mir gut, und ich bin froh, dass ich wieder einmal neben dir stehen kann.«
    »Danke.«
    »Wie fühlst du dich denn?«
    »Es geht. Die sehr schlimmen Dinge haben wir ja überstanden.«
    »Du meinst die Sachen mit Glenda Perkins und dieser Nadine.«
    »Ja, Nadine Berger.«
    »Was macht sie?«
    »Sie hat sich zurückgezogen und wird versuchen, wieder im Filmgeschäft Fuß zu fassen.«
    »Ob das klappt?«
    »Das weiß ich nicht. Ich würde es ihr gönnen. Außerdem ist sie sehr begabt, und sie könnte ihr schreckliches Schicksal eigentlich nur durch Arbeit vergessen.«
    »Da hast du Recht.« Mein Vater legte mir eine Hand auf die Schulter.
    »Weißt du, John, dass ich dich manchmal beneide?«
    Ich musste einfach lachen. »Wie kommt das denn, Dad?«
    »Um deinen Job. Du hast Einblicke in Dinge gewonnen, die den meisten Menschen verwehrt bleiben.«
    Ich wiegte den Kopf. »Das stimmt schon. Nur wünschte ich mir manchmal, ich hätte es nicht gesehen. Obwohl ich ständig mit dem Grauen und dem Schrecken konfrontiert werde, bin ich einfach noch nicht abgestumpft, wenn du verstehst. Es geht mir immer noch so verdammt nahe, wenn ich Gewalt sehe, sie selbst erlebe und auch Unrecht mitbekomme. Ich kann eben nicht anders.«
    »Zu dieser Eigenschaft solltest du dir gratulieren, Sohn.«
    »Kann sein.«
    »Doch, doch. In einer Zeit wie der heutigen, wo Krieg im Nahen Osten entbrannt ist, tut es gut, wenn man diese Worte hört. Ich denke ja auch so. Als Rechtsanwalt habe ich in den langen Jahren ebenfalls viel Elend mitbekommen, und es gelang mir auch nicht, dies abzuschütteln. Oft genug saß ich am Abend deiner Mutter gegenüber und war kaum fähig, ein privates Wort zu wechseln. Darunter hat sie sehr gelitten, mein Junge. Sehr sogar.«
    »Das glaube ich.«
    Unser Gespräch hatte mich den eigentlichen Grund, weshalb ich hier stand, vergessen lassen. Es tat gut, auch als erwachsener Mensch mit dem eigenen Vater ein Wort reden zu können. Viel zu selten fand ich die Gelegenheit, und ich musste auch davon ausgehen, dass meine Eltern nicht ewig lebten.
    »Mitternacht!«, murmelte mein alter Herr. »Wir sollten noch eine halbe Stunde warten. Wenn sich dann nichts getan hat, können wir zurück nach Northfield fahren.«
    »Wie du meinst.«
    »Weißt du, John, dass ich…«
    »Psst!«
    Mein Geräusch erschreckte ihn. Im Gegensatz zu meinem Vater hatte ich mich auf den Grund der Mulde konzentriert und meinen Blick nicht über sie hinwegfliegen lassen. Vor uns tat sich tatsächlich etwas, da begann sich der Untergrund zu verändern, was allerdings nicht an der Oberfläche geschah, sondern in der Tiefe, denn dort entstanden die ersten ungewöhnlichen Wellen.
    Wellen und Wolken in den verschiedensten Formen. Manche sehr dick, andere wiederum schlanker, als wollten sie die dickeren mit weiten Bewegungen umfangen.
    »Mein Gott, es fängt an!«, flüsterte mein Vater. »Himmel, John, ich kann es kaum glauben.«
    Sie brachten das Licht. In der Tiefe noch sehr unklar und neblig, je höher sie allerdings trieben, umso stärker trat das Licht hervor. Es wurde so klar, dass es die gesamte Tiefe ausleuchtete und etwas von seiner Intensität verlor.
    Es hatte mehr einen grünlichen Schimmer aus hellem Frühlingslaub, wirkte so frisch wie die neue Jahreszeit.
    Der gesamte Vorgang hatte nicht länger als eine Minute gedauert, dann war die Mulde von einem Rand bis zum anderen mit dieser ungewöhnlichen Farbe gefüllt.
    Und sie blieb es auch. Es entstand kein Zittern. Das Licht erinnerte mich an Glas.
    Ich holte tief Luft. Ein Phänomen, und mein Vater hatte sich nicht geirrt.
    »John!«, flüsterte er. »So habe ich es mehr als einmal gesehen. Und ich weiß nicht, was es bedeuten soll.«
    »Ich stehe auch vor einem Rätsel.«
    »Wie willst du es lösen?«
    »Indem ich die Mulde betrete.«
    »Das habe ich mir fast gedacht!«, flüsterte mein alter Herr. »Ja, ich habe damit gerechnet. Ich traute mich
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