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0676 - Die Höhle des Grauens

0676 - Die Höhle des Grauens

Titel: 0676 - Die Höhle des Grauens
Autoren: Claudia Kern
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stören weder der Staub noch die Sonne«, mischte sich Lei Feng ein. Er schraubte sein Einmachglas auf und trank einen Schluck kalten Tee.
    »Sehen Sie, wenn der Staudamm fertig ist, wird die Welt sehen, zu welchen Leistungen China in der Lage ist.«
    Und zu welchen Grausamkeiten , fügte Zamorra in Gedanken hinzu. Er hatte schon bei seinem ersten Blick auf die gigantische Baustelle geahnt, daß sie sich an der Stelle des Yangtse befanden, wo der größte Staudamm der Welt gebaut wurde. Lei Feng hatte seinen Verdacht bestätigt.
    »Schon bald wird all das, was Sie jetzt sehen, von Wasser bedeckt sein.«
    Lei Feng lächelte dünn. »Aber das wissen Sie ja.«
    »Schade nur«, entgegnete Gryf sarkastisch, »daß dabei auch eine einmalige Landschaft, zahlreiche Tierarten und Hunderte von archäologischen Stätten im Wasser versinken. Von den über eine Millionen Menschen, die zwangsumgesiedelt werden, mal ganz zu schweigen.«
    Der Chinese ließ sich nicht provozieren, sondern erleuchtete den Druiden mit der offiziellen Gegendarstellung der Regierung. Zamorra blendete die Parteibuchdogmatik aus und beschäftigte sich mit der Frage, was Lei Feng mit ihnen vorhatte. Offensichtlich wußte er nur zu gut, daß sie keine Ingenieure waren. Vielleicht hält er uns für Touristen, dachte der Dämonenjäger, von denen er ein paar Dollar bekommt, wenn er sie ohne Schwierigkeiten aus dem Sperrgebiet rausbringt. Doch diese Möglichkeit erschien ihm eher unwahrscheinlich, denn Lei Feng gab sich zu arrogant und überlegen. So etwas tat man nicht, wenn man auf ein gutes Trinkgeld aus war.
    Die einzige andere Alternative, die Zamorra als halbwegs wahrscheinlich einschätzte, war, daß er sie für Spione hielt und der Polizei ausliefern wollte.
    Aber auch dann ergab sein Verhalten keinen Sinn, denn er ging völlig unbefangen vor ihnen her und schien sich sicher zu fühlen. Wäre jemand, der einen Spion in seiner Nähe wähnt, nicht etwas mißtrauischer gewesen? Hätte er nicht gefürchtet, hinterrücks ermordet zu werden?
    Und wenn er weiß, daß ihm nichts passieren kann?
    Zamorras Gedanken kehrten mit einem Ruck zu seiner Umgebung zurück. Er sah sich um. Die Straße lag verlassen vor ihnen. Den ganzen Weg über war ihnen kein Mensch begegnet. Der Dämonenjäger ahnte plötzlich, warum das so war. Die Polizei mußte die Straße abgesperrt haben. »Gryf, lass dir nichts anmerken«, sprach er den Druiden auf Latein an, »aber ich glaube, unser Freund hat irgendwie die Polizei alarmiert.«
    Zufrieden bemerkte er, daß Lei Feng irritiert wirkte. »Ich verstehe nicht, was Sie sagen«, entgegnete er auf englisch. Er wirkte plötzlich nervös, als habe er Angst, die Situation könne ihm doch noch entgleiten.
    »Bist du sicher?« fragte Gryf ebenfalls lateinisch.
    »Nicht hundertprozentig. Logisch ist es allerdings.«
    Der Druide sah ihn zweifelnd an und bemerkte, wie Lei Feng sich neben ihm hektisch umsah.
    »Er wartet wohl auf die Kavallerie«, kommentierte Zamorra sein Verhalten. »Wir sollten verschwinden, bevor die auftaucht.«
    Und wohin, wollte Gryf fragen, aber im gleichen Moment lief Lei Feng wild schreiend los und warf sich auf den Boden.
    Der Druide fuhr herum. Grün gekleidete Soldaten sprangen ein Stück unterhalb von ihm auf die Straße und hoben ihre Gewehre. Sie waren ihnen anscheinend die ganze Zeit gefolgt und hatten nur auf den richtigen Moment gewartet.
    Neben Gryf sah Zamorra die Straße hinauf. Auch dort tauchten plötzlich Soldaten auf, die einige Kommandos brüllten.
    Während auch sie die Gewehre hoben, blickte der Dämonenjäger auf den Abgrund, der nur wenige Meter neben ihnen begann - und auf die Sandhügel darin…
    »Spring!« rief er dem Druiden zu und rannte los.
    Er hörte das mechanische Klicken, als die Sicherheitshebel der Gewehre gelöst wurden. Er spürte förmlich die Fadenkreuze, die sich auf seinen Rücken richteten.
    Und dann schlugen auch schon die ersten Kugeln neben ihm ein. Staub wallte auf.
    Zamorra erreichte den Abgrund und stieß sich ab. Der eigene Schwung trieb ihn weit über den Rand der Straße hinaus. Er sah die Lastwagen, Kräne und Betonmischer wie Spielzeug unter sich. Einen Augenblick lang glaubte er zu schweben, während die Gewehrkugeln an ihm vorüber zischten.
    Doch die Schwerkraft holte ihn ein.
    Er fiel.
    ***
    Me Xiangs Körper lief den steilen Weg mit der Geschwindigkeit eines Marathonläufers hinauf. Die drei Schwestern existierten schon so lange als reine Geistwesen, daß sie
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