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066 - Marionetten des Satans

066 - Marionetten des Satans

Titel: 066 - Marionetten des Satans
Autoren: Ann Loring
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geahnt, vom ersten Augenblick ihrer Begegnung an. Ihr Instinkt hatte sie gewarnt, aber sie hatte die Warnung in den Wind geschlagen. Jetzt mußte sie dafür bezahlen. Ihre Alpträume würden sich verwirklichen.
    Vielleicht gab es noch ein Entkommen. Im Theater, vor dem Publikum, umgeben von echten Menschen, konnte sie diesen Phantomen entfliehen …
     

     
    Die Garderobe war leer, als Julie sie betrat. Sie knipste das Licht an. Blumen standen auf ihrem Schminktisch, kleine Karten lagen daneben.
    Heute ist Ihr großer Abend. Viel Glück! Regina Grand, las sie. Und: Viel Erfolg, Wertheimer.
    Es war wie vor jeder ganz gewöhnlichen Premiere, wie in jedem Theater. Verrückt …
    Und in der Ecke, in einem riesigen Korb, seine Blumen. Der Duft war unverkennbar. Ihre Finger zitterten, als sie den schmalen Briefumschlag öffnete.
    Heute abend wirst du mein Stolz, meine Erfüllung sein. In Liebe, Davilla.
    Sie war versucht, die Blumen aus dem Fenster zu werfen, um den penetranten Geruch loszuwerden. Aber das durfte sie nicht tun. Sie durfte nicht Davillas Verdacht erregen.
    Jeden Augenblick konnte er auftauchen. Sie ging zu ihrem Schminktisch zurück. Im selben Augenblick klopfte es leise an der Tür.
    „Herein!“
    Der Zwerg George, in seiner Clownmaske, stand gebeugt in der Tür.
    „Ich möchte mich entschuldigen, Julie. Weil ich Sie vorgestern so angefahren habe. Ich war eben nervös. Und jetzt komme ich, um Ihnen alles Gute zu wünschen.“
    Julie starrte den mißgestalteten Zwerg an, der sie so freundlich ansah. Einen Augenblick lang war sie versucht, alles aus sich herauszuschreien, ihn um Hilfe anzuflehen. Aber ein Blick in die glitzernden Augen, in das grotesk bemalte Gesicht, hielt sie zurück.
    „Danke, George.“
    Georges Gesicht verzerrte sich zu einem Lächeln. Er wandte sich ab und stolperte davon. Warum sollten sie die Farce bis zum Schluß aufrechterhalten? Natürlich – sie wollten sie bis zum Ende in Sicherheit wiegen.
    Mechanisch legte sie ihr Make-up auf. Merry riß die Tür auf, Stimmengewirr drang herein.
    „Die ersten Zuschauer kommen schon“, rief sie aufgeregt. „Ich bin gerade mit Kate fertig. Jetzt helfe ich Ihnen.“
    Das Opfer wußte, daß seine Zeit gekommen war.
    „Noch fünf Minuten bis zum Aufgehen des Vorhangs“, sagte eine fremde Stimme. Durch die dünnen Wände klangen immer lauter die Stimmen des Publikums. Merry half ihr in das Kostüm, ihre kalten Finger rücken den Kragen zurecht.
    Das Opfer war bereit für die Schlachtbank.
    Kate war schon auf der Bühne und wartete auf ihr Stichwort, als Julie ihre Stellung einnahm. Merry stand neben ihr und spielte nervös mit ihrer Perlenkette. Nicht weit von Julie stand Sylvia und schlang aufgeregt die Finger ineinander. Aber er war nirgendwo zu sehen. Aber seine Botschaft stand vor ihrem geistigen Auge. Heute wirst du mein Stolz, meine Erfüllung sein.
    Was würde sie sein?
    Langsam teilten sich die Vorhänge. Applaus brandete auf. Die Rampenlichter blendeten sie, aber mit einem Seufzer der Erleichterung erkannte Julie, daß das Haus voll war. Menschen! Oh, Gott, normale Menschen!
    Die Glocke schellte, und Kate rief: „Herein!“
    Julie öffnete die französische Tür. Einen Augenblick blieb sie wie erstarrt stehen. Sie wollte an die Rampe laufen, schreien. Aber sie konnte es nicht. Eine unsichtbare Macht, stark wie Stahlfinger, hielt sie fest. Sie versuchte, sich umzuwenden, durch die Tür zu verschwinden, durch die sie soeben gekommen war. Aber da stand Lou Davilla, die Hände über den Kopf erhoben. Langsam senkte er eine Hand und zeigte auf sie.
    Wie hypnotisiert begann sie ihren Text zu sprechen. Willenlos, hilflos bewegte sie sich auf der Bühne, wie es vorgeschrieben war, ohne den Bann brechen zu können. Helft mir, schrien ihre Gedanken, helft mir … Aber ihre Lippen sprachen die auswendig gelernten Worte.
    Der erste Akt ging zu Ende. Donnernder Applaus belohnte die Darsteller. Sie wollte ins Publikum schreien: Könnt ihr nicht sehen, was mit mir geschieht? Aber ihre Lippen blieben stumm. Merry ergriff ihren Arm, als sie die Bühne verließ, und führte sie in die Garderobe, streifte das Kostüm für den zweiten Akt über ihren willenlosen Körper.
    Wie eine Marionette bewegte sie sich durch den zweiten Akt, der mit noch frenetischerem Applaus bedacht wurde. Wieder führte Merry sie in die Garderobe. Die kleine Frau schien immer größer und stärker zu werden, mit immer gröberen Bewegungen schob sie Julie hin und her,
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