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0640 - Hexentränen

0640 - Hexentränen

Titel: 0640 - Hexentränen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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war, besaß er auch nicht die Kraft, danach zu suchen.
    Aber auch das war längst noch nicht alles.
    Denn Merlin selbst war kaum weniger vom Werk der Zerstörung betroffen. Allerdings auf eine ganz andere Weise.
    Etwas Ungeheuerliches war mit ihm geschehen.
    Baba Yaga hatte ihm einen großen Teil seiner persönlichen Macht gestohlen. Diese war die Macht, die er unabhängig von seiner Aufgabe als Diener der Schicksalswaage besaß. An ihr hatte die Hexe sich vergriffen, ehe sie verschwand.
    Wohin war sie gegangen?
    Merlin glaubte einen Hauch der Vergangenheit gespürt zu haben in jenem Augenblick, in dem sie sich entfernte. Aber er war nicht ganz sicher. »Die Puppenspielerin«, wiederholte er ihre Worte, und er begann zu ahnen, wohin die Hexe gegangen war.
    Doch er kam nicht dazu, diesen Gedanken weiter zu verfolgen.
    Denn plötzlich war er nicht mehr allein.
    Er erhielt Gesellschaft. Von jemandem, den er hier und jetzt weder erwartet hatte noch sehen wollte.
    Doch der andere kümmerte sich nicht darum.
    Er kam einfach her und trat an Merlins Seite. Aufgrund seiner Vergangenheit konnte er in bestimmten Situationen den Wald betreten, trotz seines schwarzen Blutes.
    »Asmodis«, stieß Merlin hervor. »Was willst du hier? Willst du dich an meiner Niederlage weiden?«
    »Vielleicht«, sagte sein dunkler Bruder. »Wenn du glaubst, ich würde dies wollen. Glaubst du es?«
    »Ja…«
    Merlin streckte den Arm aus und wies in die Runde. »Sieh, was Du angerichtet hast, als Du mich zwangest, ihr den Zugang nach Broceliande zu gewähren. Sieh!« sagte er vorwurfsvoll. »Wo sind die Einhörner? Die Elfen? Wo sind sie? Ich will es Dir sagen. Sie sind tot. Die Pfade, auf denen wir einst in Kindheitstagen wandelten, sind Asche, Staub und Dreck. Die Bäume…«
    »Aus Staub hast du sie geschaffen, zu Staub hat Baba Yaga sie gemacht«, erwiderte Asmodis.
    »Der Jungbrunnen ist versiegt«, fuhr Merlin verzweifelt fort. »Niemals mehr wird er sprudeln. Mein Schlüssel nach Avalon ist mir geraubt. Niemals wieder werde ich aus eigener Kraft dorthin gelangen können. Niemals! Schau, das ist dein Werk!«
    »Nicht so theatralisch, mein Bester«, erwiderte Asmodis. »Du hättest mich fragen sollen, als du damals mir die Kraft entzogest. Wie du mir, so ich Dir. Dies ist meine Revanche.«
    Merlin erstarrte. Ja, er hatte seinerzeit Asmodis Kraft entzogen. Damals, als er den Silbermond retten wollte mit seinem gigantischen Zeitparadoxon. Aus eigener Kraft allein wäre ihm das niemals gelungen. Und ja, er hatte Asmodis nicht vorher gefragt.
    Noch immer war dieser Kräfte-Entzug wirksam. Um gleich von Anfang an genügend Energie zur Verfügung zu haben, hatte Merlin damals den Zeitrahmen sehr großzügig angesetzt und sich nicht um die Grenzen von Gegenwart und Vergangenheit gekümmert. So hatte Asmodis auch jetzt noch zuweilen unter den Nachwirkungen jener Aktion zu leiden.
    Wer wollte es ihm da übelnehmen, daß er auf Vergeltung sann?
    Und doch… Das, was er getan hatte… hatte er nicht jetzt selbst über das Ziel hinausgeschossen?
    »Und noch eines«, fuhr Asmodis in diesem Moment fort. »Wenn du schon Lucifuge Rofocale demütigen willst, dann nicht vor den Augen unseres Herrn und Kaisers LUZIFER. Niemals! Man spielt kein Spiel mit der Hölle. Auch du nicht… Myrddhin Emrys!« [5]
    Merlin war fassungslos. »Aus Rache, aus bloßer, purer, kleinlicher Rache…«, stieß er hervor. »Weißt du eigentlich, was du angerichtet hast? Jetzt ist sie fast so mächtig wie… Mit meiner Kraft und Macht! Sie, die ohnehin schon so gewaltig und so mächtig ist, ist jetzt auch noch…«
    Verzweifelt sank Merlin zu Boden.
    Asmodis entschwand.
    ***
    »Du bist wahnsinnig, Merlin«, stieß Carlotta hervor. Zamorra sah sie verweisend an. Nach allem, was geschehen war, war jetzt sicher nicht die rechte Zeit für Schuldzuweisungen oder Vorwürfe. Was passiert war, ließ sich nicht mehr rückgängig machen.
    »Ist doch wahr«, murrte Carlotta. »Zuerst kidnappt er Ted und die Druiden, dann bringt er sie in Lebensgefahr, und zum Schluß…«
    Unter dem Tisch, an dem sie in einem der Räume in Merlins Burg saßen, trat Nicole der schwarzhaarigen Römerin gegen das Schienbein. Da endlich verstummte Carlotta.
    »Was wird nun weiter geschehen?« fragte Zamorra. »Der Zauberwald existiert nicht mehr, Baba Yaga ist wieder einmal verschwunden, und wir sitzen hier und können heilfroh sein, daß wir dieses Fiasko nicht miterlebt haben. Die Geschöpfe des Waldes sind mit
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