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0640 - Hexentränen

0640 - Hexentränen

Titel: 0640 - Hexentränen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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der Hinweis auf ihre Tochter, sondern der Jungbrunnen, von dem er sie fernhalten wollte?
    Warum hatte sie nicht schon früher daran gedacht?
    Dieser Brunnen konnte ihr nützlich sein.
    Sie trieb den Ofen an. Der wetzte gehorsam los - und stolperte schon wenige Augenblicke später über die Schnecke.
    In hohem Bogen flog Baba Yaga durch die Luft und landete in einem Brombeerstrauch. Der Ofen schepperte über den Boden, rollte seitwärts und mühte sich vergeblich ab, aus seiner verqueren Lage wieder auf die Beine zu kommen. Dafür war er einfach zu schwer.
    Yaga befreite sich aus dem Strauch. Wütend sah sie die Schnecke an.
    Sie erkannte sie wieder, und auch das elfenähnliche Geschöpf, das auf ihr ritt. Diese Brandflecken am Schneckenkörper und am Schneckenhaus konnte es kein zweites Mal geben.
    »Schrumpf mit mir«, sagte das Elfenwesen.
    »Schrumpf mit mir«, sagte die Schnecke.
    »Nein!« schrie Baba Yaga.
    Aber auf ihren Protest hörte niemand.
    ***
    Merlin öffnete die Augen wieder.
    »Warum habe ich ausgerechnet dies gesehen?« fragte er sich düster.
    »Warum habe ich das Duell der Geisterlords gesehen - und Eva Groote? Die Frau, die ich liebte und die vor…« Er zögerte; es lag lange zurück, »… vor achtzehn Jahren starb? Verdammt, es hat weh getan, sich wieder daran zu erinnern. Es läßt einen nie los, Merlin, verstehst du? Man schiebt es fort, man vergißt es, aber plötzlich ist alles wieder da, als wäre es erst heute passiert! Warum mußte mir ausgerechnet eine solche Erinnerung gezeigt werden? Etwas, das ich seit achtzehn Jahren zu vergessen versuche?«
    »Nichts, was geschieht, läßt den Betroffenen jemals wieder los«, sagte Merlin düster. »Es endet nie, es währt immer. Es ist wie die Traumzeit der australischen Ureinwohner. Sie war einst, und sie ist jetzt, sie ist ständig vorhanden und ständig real, und es gibt kein Gestern und kein Morgen. Du fragst nicht, was ich gesehen habe?«
    Ted schüttelte den Kopf.
    »Wenn du es mir erzählen willst, tust du es von allein. Wer könnte dich schon durch eine Frage bewegen, eine Antwort preiszugeben?«
    »Ihr schätzt mich alle falsch ein.« Merlin lächelte verloren. »Alles, was wir heute in diesen Träumen sehen, hat mit Tod und mit Leben zu tun. Mit Verlust und Gewinn. Ich sah Teri Rheken… sah sie durch die Augen des wachsamen Drachen, der Avalon schützt… Auch damals schaute ich gerade durch seine Augen. Ich erinnerte mich. Aber…«
    »Was aber?«
    Merlin erzählte von seinem Erinnerungsbild. »Aber ich weiß nicht, wie es ausging«, schloß er. »Das einzige, was mir bekannt ist, ist: vorher war sie sterblich. Danach erst besaß sie die Langlebigkeit aller Silbermond-Druiden, die nur durch Gewalt oder den eigenen Willen den Tod finden. Oder eben - wenn ihr Lebensbaum aufhört zu existieren…«
    »Das mit den Lebensbäumen halte ich für eine Legende«, sagte Ted. »Denn dann müßte auch Gryf längst tot sein, und auch jener Sergej, von dem er in letzter Zeit öfters redet. Oder Vali auf dem Silbermond in der Zeitsphäre… denn auch wenn es den Silbermond durch dein damaliges Zeitparadox wieder gibt, für das du deinem Bruder Asmodis einen großen Teil seiner Kraft genommen hast - es gibt die Lebensbäume der Druiden trotzdem nicht mehr.«
    »Es ist ein Rätsel, noch ungelöst«, sagte Merlin. »Nach dem Ereignis jedenfalls, das mir der Erinnerungstraum eben zeigte, gehörte auch Teri zu den Unsterblichen, und ich konnte ihr endlich auch den Zutritt zum Saal den Wissens gewähren.«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Aber warum dies jetzt? Warum dieser Traum von ihrer Reise nach Avalon? Ich verstehe es ebensowenig, wie du deinen Traum verstehst - oder Baba Yaga den ihren…«
    Er stockte.
    »Was sagst du da?« stieß Ted hervor. »Die Baba träumt auch? Woher willst du das wissen?«
    »Ich weiß es einfach«, sagte Merlin, »und es überrascht mich ebenso wie dich. Das mag es sein, was ich eben spürte. Aber nun ist es vorbei. Sie geht wieder ihren Weg, und ich hoffe immer noch, daß wenigstens der Wald sie bezwingt.«
    »Aber warum?«
    Merlin sah zum Himmel empor, der klar und hell war.
    »Weil sie alles vernichten kann, woran mir liegt…«
    ***
    Zur gleichen Zeit sah auch Baba Yaga zum Himmel empor, der dunkel war und an dem sich der Vollmond verkriechen wollte - der Vollmond, den Merlin hier nicht sehen konnte!
    Aber er konnte auch ihr nicht mehr helfen.
    Seine Magie war anders als das, was jetzt auf Baba Yaga und ihren Ofen
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