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059 - Das Experiment

059 - Das Experiment

Titel: 059 - Das Experiment
Autoren: Bernd Frenz
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allerdings nicht genug, um einen erneuten Fluchtversuch zu wagen.
    »Steppenreiter sind nicht für Ackerbau und Viehzucht geboren«, antwortete die Nosfera.
    »Sie müssen jagen und rauben, um zu überleben.«
    Ihre Stimme klang rau, doch zwischen den Worten war eine Spur von Mitleid zu hören.
    Topi'ko schöpfte neuen Mut.
    »Du gehörst doch gar nicht zu diesem Pack«, platzte es aus ihm heraus. »Rayy und die anderen behandeln dich schlecht, das habe ich genau gesehen.«
    »Sieh an, ein richtig kluger Junge«, spottete Blair. »Aber jenseits des San'andra-Sees bin ich die Einzige meiner Art, und nur die Steppenreiter akzeptieren mich so, wie ich bin. Wenn sie nicht wären, musste ich allein ums Überleben kämpfen und dabei elend zugrunde gehen.«
    Von purem Überlebenswillen getrieben, ließ Topi'ko seine Gedanken rotieren, um einen Ausweg aus dem Dilemma zu finden. Plötzlich glaubte er eine Lösung zu haben. »Wenn du uns hilfst, kannst du in Sub'Sisco bleiben«, bot er Blair an. »Dort leben Hydriten, Menschen und Mendriten friedlich beieinander. Eine Nosfera wäre uns willkommen. Unsere Beobachter würden sich freuen, mehr über dein Volk…«
    Blair bog seinen Arm in die Höhe, um den Redeschwall zu unterbrechen. »Weiter!«, forderte sie schroff, bevor sie nach einigen Schritten etwas milder hinzufügte: »Skurog hat mich als Kind in den Armen meiner toten Mutter gefunden und nahm mich bei sich auf, damit seine Söhne jemanden hatten, den sie herumkommandieren konnten. Er hat mir das Leben gerettet, dafür schulde ich ihm Gehorsam.«
    »Blödsinn!«, konterte der Mendrit, verstummte aber schmerzerfüllt, als sein verdrehter Arm erneut in die Höhe ruckte.
    Wenige Schritte später war sowieso alles zu spät. Mattes Licht verdrängte die Dunkelheit und gab den Blick auf vier hämisch grinsende Barbaren frei. Sie hatten Blairs Stimme gehört und es deshalb vorgezogen, im Hellen zu warten.
    »Damit hast du wohl nicht gerechnet, was?«, triumphierte Marv, der den Trupp anführte.
    Er wollte mit seinen großen Pranken nach dem Jungen greifen, doch die Nosfera knurrte ihn an, als würde sie Topi'ko als persönliche Beute beanspruchen.
    Marv zuckte nur mit den Schultern und trat beiseite, um die beiden in dem engen Gang vorbei zu lassen. Flankiert von den Steppenreitern ging es zurück in die Höhle, in der sich die Lage etwas beruhigt hatte.
    Skurog kniete auf dem Boden, einen Dolch in der Linken, den zerschnittenen, jetzt wieder erstarrten Armreif in der Rechten. Rayy stemmte sich gerade in die Höhe. Rote Striemen liefen um seinen Hals, an einigen Stellen so tief, dass Blut aus den Wunden perlte.
    Kehle und Schlagadern waren aber unverletzt, sonst hätte er nicht die Kraft aufgebracht, Topi'ko mit seinen hasserfüllten Blicken zu durchbohren.
    »Dreckige kleine Made«, fluchte er. »Jetzt bist du fällig.«
    Blair dirigierte den Jungen zu der Mendritengruppe, die sich inzwischen nicht mehr an den Händen hielt. Rayy eilte ihnen hinterher, um Topi'ko eine Tracht Prügel zu verabreichen.
    Kurz bevor er heran war, wirbelte die in Leder gekleidete Nosfera herum und verstellte ihm den Weg. Ihr langer Wollumhang bauschte sich durch die Drehung auf wie die Schwingen eines Batera.
    Ehe Rayy wegen der Blockade protestieren konnte, steckte sie ihren Dolch hinter den Gürtel und schlug die Kapuze zurück. Darunter kam ein mit vertrockneter Haut bespannter Schädel zum Vorschein. Blairs Gesichtszüge waren nur entfernt weiblich. Eine Handvoll schlohweißer Strähnen spross auf ihrem Kopf, doch es hätten genauso gut die verbliebenen Haare einer vor langer Zeit Verstorbenen sein können. Lediglich die strahlend blauen Augen bewiesen, dass sie keine Wiedergängerin war, sondern unter den Lebenden weilte.
    Aus den Reihen der Mendriten stiegen spitze Schreie auf. Topi'ko schämte sich dafür.
    Schließlich hatten Rayy und die übrigen Barbaren erst kurz zuvor sein Aussehen verlacht.
    Blair reagierte nicht auf die Laute in ihrem Rücken. Sie hatte nur Augen für Rayy.
    »Mhmmm!« Ihre vorschnellende Zungenspitze hinterließ einen feuchten Film auf den blutleeren Lippen. »Du siehst wirklich zum Anbeißen aus!« , Der Barbar stoppte mitten in der Bewegung, als wäre er gegen ein unsichtbares Hindernis geprallt. Zwischen Entsetzen und Unverständnis schwankend, jagten seine Pupillen unstet von einem Augenwinkel in den anderen.
    »Was ist los?«, entfuhr es ihm endlich.
    Statt zu antworten, langte Blair nach seinem Hals und strich
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