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059 - Das Experiment

059 - Das Experiment

Titel: 059 - Das Experiment
Autoren: Bernd Frenz
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klar?«
    Rayy nickte beflissen, froh darüber, so glimpflich davongekommen zu sein. Der Jähzorn des Häuptlings war allseits gefürchtet. Andere Steppenreiter waren schon für weitaus geringere Fehler zusammengeschlagen worden.
    Die Sturmflinte fest umklammert, kreuzte Rayy wütend die zahlreichen Blicke, die auf ihm lasteten. Keine Schwäche zeigen, hieß die oberste Regel des brennenden Mannes, des Gottes aller Steppenreiter.
    Die äußere Härte, zu der die Barbaren von Kindesbeinen an erzogen wurden, ließ wenig Spielraum für Emotionen. Körperliche Gewalt gegen sich und andere diente ihnen als einziges Ventil für den inneren Druck, der sich während jedes Raubzuges aufbaute. Die Untätigkeit, zu der sie in dieser entscheidenden Phase verdammt waren, heizte Nervosität und Aggressionen weiter an, und die beengte Umgebung tat ein Übriges, um ihre Handlungen immer unberechenbarer werden zu lassen.
    Eine unangenehme, körperlich spürbare Spannung lastete über der Truppe, die auf den nächsten Schritt der Fishmanta'kan wartete. Die in grün gefärbte Tierfelle, Leder und Eisen gekleideten Barbaren hatten zwar schon mehrfach Geiseln genommen, um Lösegeld von gut befestigten Faama-Gehöften, Fischerdörfern oder kleinen Städten zu erpressen, aber der Ausgang solcher Unternehmen lag stets im Ungewissen. Und die Seemonster, gegen die es diesmal ging, waren ein schwer einzuschätzender Gegner, um den sich viele Legenden rankten.
    Entsprechend ruppig sprangen sie mit ihren Gefangenen um - blau geschuppten Wesen, halb Mensch, halb Fisch, die eigentlich in der Tiefe des Meeres hausten, aber auch Luft atmen konnten. Hatte man sich erst einmal an das hässliche Aussehen und die nadelspitzen Zahnreihen in den breiten Mäulern gewöhnt, wirkten sie gar nicht mehr so furchteinflößend.
    Selbst der größte Fishmanta'kan war einen Kopf kleiner als Rayy, und ihre flossenförmigen Füße, die im Wasser sehr nützlich sein mochten, zwangen sie an Land zu eher unbeholfenen Bewegungen.
    Da halfen auch die muskelbepackten Oberkörper nichts. Waren die Fishmanta'kan erst einmal ihrer Blitzstäbe und Sturmflinten beraubt, hatten sie den brutalen Steppenreitern nicht mehr viel entgegenzusetzen.
    Eine unnatürliche Ruhe breitete sich in Rayy aus. Verdammt, der Clan hatte schon weitaus gefährlichere Raubzüge durchgezogen! Was sollte schon passieren, jetzt, da sie über die mächtigen Waffen des Gegners verfügten?
    Rötlicher Fackelschein, der einen von der Höhle abzweigenden Gang erhellte, riss den Krieger aus seinen Gedanken. Marv stürmte zu ihnen herein; eine der Wachen, die sie am Eingang postiert hatten.
    »Sie sind da!«, rief der blonde Hüne atemlos. »Fünf Boote voller Fischer und Seeteufel! Sie sind die Klippen hinauf und haben den Bastard von den Zypressen geschnitten.« Marv sprach von dem Fishmanta'kan, den Skurog und Rayy gefoltert hatten, um die Aufmerksamkeit von Sub'Sisco zu erlangen; [1] einer Unterwasserstadt auf dem Grunde der Bucht, in der Küstenbewohner und Fishmanta'kan in abnormer Eintracht miteinander lebten.
    Marvs Nachricht verursachte Unruhe unter den Steppenreitern. Nun, da der Feind gelandet war, konnte es jeden Augenblick hart auf hart gehen. Schwerter, Speere und Streitäxte wurden fester gepackt. Flüsternd sprach einer dem anderen Mut zu. Nur Skurog strich zufrieden über seinen Kinnbart, als verliefe alles zu seiner Zufriedenheit.
    »Wunderbar«, verkündete er. »Die Kreatur war noch bei Bewusstsein, als wir sie zurückgelassen haben. Jetzt wissen die übrigen Fischköpfe, was sie bis Einbruch der Dämmerung zusammenpacken müssen, wenn sie ihre Brut lebend wiedersehen wollen!«
    Grinsend sah er zu der Kinderschar, die sich nahe eines am Boden klebenden Leuchtsteins fest aneinander drängte, als könnte ihnen die bloße Nähe körperliche Sicherheit bieten. Eine Fishmanta'kan sprang auf und wollte sich schützend vor die verängstigte Gruppe stellen, doch ein Hieb mit der flachen Schwertseite trieb sie zurück an ihren Platz, einer aus dem Stein gehauenen Sitznische im äußersten Winkel der Höhle.
    Es gehörte zur Taktik der Steppenreiter, dass sie die Halbwüchsigen dicht bei sich behielten, um jederzeit mit Pfeil oder Klinge auf sie eindringen zu können. Das Leben dieser barhäuptigen Kreaturen war der wichtigste Trumpf in dem nun anstehenden Nervenspiel…
    Trotz des eisigen Schauers, der seinen Rücken hinabstrich, hielt Topi'ko dem durchdringenden Blick des Barbarenhäuptlings stand.
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