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059 - Das Experiment

059 - Das Experiment

Titel: 059 - Das Experiment
Autoren: Bernd Frenz
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Er war der Einzige der Gruppe, der sich nicht an seine Freunde klammerte, sondern die Fäuste ballte, als ob er jeden Augenblick auf seine Peiniger losgehen wollte.
    Skurog begegnete diesem stillen Protest mit einem spöttischen Lächeln. Eine scheinbar milde, aber an Verachtung kaum zu überbietende Geste, die Topi'kos Hilflosigkeit viel brutaler offenlegte als die Drohgebärde, mit der sich Rayy plötzlich näherte.
    »Was glotzt du so blöd, Grauhaut!«, fauchte der Steppenreiter, der offensichtlich selbst nicht zu den Schlausten gehörte. Schließlich hatte er die Höhle kurz zuvor fast zum Einsturz gebracht. Statt seine Lehren aus dem unkontrollierten Schuss zu ziehen, fuchtelte Rayy weiter mit dem Schalldruckgewehr herum - die große runde Mündung direkt auf Topi'ko gerichtet.
    Obwohl es sich um eine Defensivwaffe handelte, konnte ein Treffer aus dieser Entfernung tödliche Folgen haben. Topi'ko spürte, wie sich seine Herzfrequenz beschleunigte, versuchte aber äußerlich ungerührt zu bleiben. Seine Weigerung, Angst zu zeigen, fachte die Wut des Barbaren weiter an.
    »Ich hab dich was gefragt, du haarlose Missgeburt«, knurrte Rayy gereizt. »Antworte gefälligst.«
    Die übrigen Barbaren verfolgten die Konfrontation mit belustigtem Interesse. Der Radau, den Rayy veranstaltete, ließ sie die eigene Nervosität vergessen. Selbst Skurog schien über die Abwechslung erfreut zu sein.
    Hilfe von Seite des Clans brauchte Topi'ko also nicht zu erwarten.
    Betont auffällig sah er an seinem hageren Körper hinab, auf dem tatsächlich kein Härchen spross. Obwohl von menschlicher Gestalt, deutete vieles darauf hin, dass der Junge ebenso gut für das Leben im Wasser wie an Land geschaffen war. Seine ledrige, seltsam feucht glänzende Haut, die tatsächlich einen Stich ins Gräuliche besaß, ähnelte der eines Delfiins, wie die Menschen die Grauen Freunde nannte. Sie schützte Topi'ko ebenso vor der Kälte des Meeres wie vor den niedrigen Temperaturen, die in der Höhle herrschten.
    Obwohl er nur mit einem Lendentuch bekleidet war, fror er nicht.
    Sein Blick verharrte kurz an den Schwimmhäuten, die sich zwischen seinen Fingern und den ungewöhnlich weit gespreizten Zehen der Füße spannten. Für einen Barbaren, der aus der Steppe jenseits des San'andra-Sees stammte, musste sein Äußeres wirklich ungewohnt sein. Besonders die spitz zulaufenden Ohren und der haarlose, ein wenig gequetscht wirkende Schädel unterschieden ihn von anderen Landbewohnern.
    Ein lautes Grunzen erinnerte Topi'ko daran, dass Rayy immer noch auf eine Antwort wartete. Der Junge hob den Kopf und fixierte sein Gegenüber aus grünen Augen, die humorlos funkelten. »Ich glotze so blöd«, erklärte er provozierend langsam, »weil ich nie glauben wollte, dass die Menschen wirklich vom Affen abstammen - bevor ich dich getroffen habe!«
    »Was?« Rayy stieß ein empörtes Schnaufen aus. Sein Gewehrlauf ruckte in die Höhe, sodass die kalte Mündung nun direkt zwischen die Augen des Jungen zielte. Ein kurzes Tippen am Abzug genügte, um sein Gesicht zu zerschmettern. »Affen? Was soll das sein?«
    Topi'kos Knie wurden so nachgiebig wie ein ausgerissener Algenstrang, der auf den Wellen tanzt. Nur sein natürlicher Starrsinn verhinderte, dass er sich weinend zu Boden warf.
    »Ein Affe war ein Säugetier in der Zeit vor Ei'dons Geschenk«, erklärte er, wohl wissend, dass der Barbar mit diesen Worten wenig anfangen konnte. »Keine Ahnung, ob noch welche in Afra existieren, oder ob sie dort ebenfalls zu Steppenreitern mutiert sind.«
    Zwei Herzschläge lang sah es so aus, als ob Rayy sein Schalldruckgewehr abfeuern würde, aber so dämlich war er nun doch nicht. Statt den Finger zu krümmen, verzog er seine Lippen zu einem breiten Grinsen. »Du kommst dir wohl schlau vor mit deinem wirren Gerede?« Seine Stimme troff nur so vor Hohn. »Dann erklär mir doch mal, warum man euch Missgeburten in dieser Höhle versteckt hat! Zuerst dachte ich ja, ihr wärt ein paar Blutsäufer wie unsere Blair, aber inzwischen scheint mir eher, dass einige Seeteufel die örtlichen Fischerinnen geschwängert haben und keiner was merken soll.« Beifall heischend sah sich der Barbar zu den Angehörigen seines Clans um. »Na, hab ich Recht, oder was?«
    Raues Gelächter belohnte die verletzenden Worte, aber davon ließ sich Topi'ko nicht aus der Ruhe bringen.
    »Wir sind Mendriten«, stellte er klar, als ob damit alles gesagt wäre. »Genetisch erzeugt, als Bindeglied zwischen
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