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059 - Das Experiment

059 - Das Experiment

Titel: 059 - Das Experiment
Autoren: Bernd Frenz
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über die blutenden Wunden.
    Das rote Nass hob sich von den bleichen Fingern ab wie eine glänzender Stern am nächtlichen Firmament. Genüsslich schob sie die benetzten Kuppen in den Mund, um ja keinen Tropfen zu verschwenden. Das saugende Geräusch, mit dem Blair den kostbaren Lebenssaft ablutschte, ließ Rayy angewidert zurückweichen.
    »Nicht so schüchtern, mein Schatz«, kicherte die Nosfera. »Ich will dir gerne die Wunden lecken.« Sie beugte sich vor, als wollte sie Rayy um den Hals fallen.
    Der Barbar schüttelte sich angewidert.
    »Bleib mir vom Leib, verdammte Hexe!«, forderte er und wich zurück. Allein der Gedanke, dass die Nosfera von seinem Blut trinken könnte, schien ihn in die Flucht zu treiben.
    Blair drehte sich zu den Mendriten um und schenkte Topi'ko ein verschwörerisches Augenzwinkern.
    Da erkannte der Junge, dass sie diesen Auftritt nur inszeniert hatte, um ihn vor einer Tracht Prügel zu bewahren. Oder um zu beweisen, wie gut sie mit den Steppenreitern umzugehen wusste.
    Besonders Skurog schien der Humor seiner Ziehtochter zu gefallen. Er hielt sich den Bauch vor Lachen, während er näher trat und fragte: »Was hast du entdeckt, meine kleine Bluthexe?«
    Blair wurde übergangslos ernst.
    »Der Gang endet an einem natürlichen Brunnen«, erklärte sie. »Vermutlich besitzt er eine Verbindung zum Meer, sonst wäre der kleine Delfiin nicht dorthin geflohen…«
    ***
    Leises Glucksen stieg vom Grunde des Schachtes auf, gefolgt von zwei Scheinwerferkegeln, die vergeblich den oberen Rand der Felsen zu erreichen suchten. Gleich neben den Lichtfingern ragten zwei von transparenten Hauben umhüllte Köpfe aus dem Wasser.
    Matthew Drax und Aiko Tsuyoshi sprachen kein Wort, obwohl eine Verständigung mö glich gewesen wäre. Ihre Taucherhelme besaßen schalldurchlässige Membranen.
    Schweigend ließen sie die Lichtkegel im Uhrzeigersinn über die zerklüfteten Wände wandern, bis eine Gruppe kreisförmig angeordneter Muscheln knapp über der gekräuselten Oberfläche den Schein reflektierte. Die Form war zu gleichmäßig, um natürlich entstanden zu sein. Das war die gesuchte Stelle!
    Beide Männer ließen ihre Lampen unter Wasser sinken. Das Felsbecken begann von innen her zu leuchten, sodass sich ihre Körper als dunkle Schemen abhoben. Der aufsteigende Schimmer reichte für eine Orientierung am Grund aus, barg aber nicht die Gefahr, einen ungebetenen Beobachter oberhalb des Schachtes auf sie aufmerksam zu machen.
    Bei dem gut dreißig Meter abfallenden Hohlraum handelte es sich um einen natürlichen Regenlauf, der sich im Laufe der Erdgeschichte in den Fels gewaschen hatte.
    Aiko schwamm einige Meter und drückte mit der rechten Hand auf das am Felsen klebende Mosaik. Die Muscheln fühlten sich seltsam weich an, unterschieden sich aber äußerlich nicht von echten Meerestieren. Ehe er die geriffelten Schalen näher untersuchen konnte, ertönte ein leises Kratzen, das als unheimliches Echo von den umliegenden Wänden zurückhallte.
    Armdicke Stiegen traten aus dem Fels hervor. Eine Leiter, die in die Höhe führte. Aiko ergriff die dritte Sprosse und zog sich vorsichtig, nicht mehr als ein leises Plätschern verursachend, empor. Noch unter Wasser streifte er seine Flossen ab, knipste dann die Lampe aus und kletterte lautlos weiter. Schon nach wenigen Stufen verschmolz seine sehnige Gestalt mit der Dunkelheit.
    Matt löschte ebenfalls das Licht. Die unangenehme Prozedur des Wartens begann. Wenigstens musste er nicht Wasser treten, denn der unterirdische Zugang, durch den sie hergetaucht waren, endete direkt unter ihm. An der Küste herrschte derzeit Ebbe; bei Flut stieg der Pegel hier drinnen mit dem Meeresspiegel an. Die Untätigkeit zerrte an seinen Nerven.
    Matt bekämpfte den Wunsch, das Schalldruckgewehr von der Schulter zu nehmen. Falls oben Steppenreiter lauerten, musste er ohnehin den Rückzug antreten. Ein Feuergefecht in dieser frühen Phase der Annäherung würde nur das Leben der Geiseln unnötig gefährden.
    Anstatt zu warten, hatte er gerne selbst die Lage sondiert, aber Aikos optische Implantate waren seinen Augen im Dunkeln überlegen, deshalb hatte der Cyborg den Vortritt erhalten.
    Die Restlichtverstärker nutzten zwar bei absoluter Finsternis wenig, aber mittels seines Thermo -Modus konnte Aiko die Körperwärme etwaiger Gegner aufspüren.
    Ein Blinken aus der Höhe erlöste Matt von seiner Qual. Kurz - kurz - lang. Das verabredete Signal. Oben war alles in Ordnung.
    Der Pilot
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