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0583 - Drachen-Jäger

0583 - Drachen-Jäger

Titel: 0583 - Drachen-Jäger
Autoren: Werner Kurt Giesa
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hatte. Gleichzeitig winkte er mit der freien Hand Mostache, dem Wirt.
    Ein paar Gesten reichten, und Augenblicke später tauchte Mostache auf, er stellte eine neue Weinkaraffe auf den Tisch und auch ein neues Glas Cognac.
    »Ich bin kein Engländer, ich bin Brite«, korrigierte der Fremde. Er war mittleren Alters, war recht modisch gekleidet. Aber er sah mit seinem kantigen Gesicht und dem sehr kurzen Blondhaar älter aus, als er es in Wirklichkeit war.
    »Engländer oder Brite, wo ist da schon der Unterschied?« brummte Goadec, größter Pächter der Montagne-Weinberge. »Ihr redet die gleiche Sprache, ihr fahrt beide auf der falschen Straßenseite, und gemeinsam habt ihr auch den Rinderwahnsinn erfunden.«
    »Damit habe ich nichts zu tun«, protestierte der Blonde.
    »Wie geht die Geschichte denn nun weiter - Engländer?«
    Der Blonde räusperte sich und sah in die Runde.
    »Da ist nicht mehr sehr viel zu erzählen«, sagte er. »Der König galt fortan als der große Drachentöter und Retter des Reiches, Natalya verschwand mit der Jungfrau und ward nie mehr gesehen. Vielleicht hat sie die Jungfrau irgendwo verkauft, vielleicht wollte sie das junge Ding auch nur von ihrer schäbigen Familie befreien. Von dem König jedenfalls weiß man, daß er im hohen Alter von angeblich dreihundert Jahren gestorben ist. Seither ist das Zwergenschwert, mit dem der Drache erschlagen wurde, verschollen.«
    »Wirklich, eine schöne Geschichte«, sagte Goadec wieder. »Aber das alles ich doch wohl kaum mehrals ein Märchen?«
    »Wie meinen Sie das, Sir?«
    »Die Sache mit König Laurin«, warf der alte Curd ein. Normalerweise galt er als der Geschichtenerzähler im Dorf, er hatte sich angesichts des Briten aber wirklich zurückgehalten. »Jeder weiß, daß Zwerge zwar sehr, sehr alt werden…«
    »… vor allem Gartenzwerge, solange sie nicht übelwollenden Nachbarn in die Hände fallen«, murmelte Pater Ralph.
    Curd fuhr fort: »Aber derart alt werden sie nun doch wieder nicht. Von Professor Zamorra wissen wir nämlich, daß Laurin heute noch lebt, jawohl! Seit der Zeit der Nibelungen sind über tausend Jahre vergangen, damals muß Laurin also noch recht jung gewesen sein. Aber selbst zur Nibelungen-Zeit hat es hier keine Drachen mehr gegeben, und die wenigen, die erschlagen wurden, sind uns alle namentlich bekannt, ebenso ihre Bezwinger. Diese Geschichte, die Sie da erzählt haben, muß sich also wesentlich früher ereignet haben.«
    »Zumal«, fügte Goadec hinzu, »kein Mensch dreihundert Jahre alt werden kann.«
    »Wieso können Menschen nicht so alt geworden sein?« protestierte der Blonde. »Erzvater Abraham soll achthundert oder neunhundert Jahre…«
    »Das, mein Sohn, war zu biblischen Zeiten«, korrigierte ihn Pater Ralph. »Damals gab es auch keine Drachen. Zumindest werden sie nicht in der Bibel erwähnt.«
    »Hä?« machte Curd. »Hatten Abraham und Noah und all die anderen etwa keine Schwiegermütter?«
    »Wir sprechen von Drachen, Sohn«, verwarnte ihn Pater Ralph.
    »Ja, eben…«
    »In der ganzen Menschheitsgeschichte galt es nie als besondere Heldentat, seine Schwiegermutter zu erschlagen«, stellte der Brite fest. »Drachen hingegen…«
    »Wurden immer heimtückisch abgemetzelt«, brummte Mostache hinter der Theke. »Bloß… diese gute alte Tradition hat heutzutage doch arg nachgelassen.«
    »Sicher mangels Masse«, vermutete Goadec. »Es gibt keine Drachen mehr, und wo es keine Drachen mehr gibt, kann auch niemand mehr Drachen erschlagen.«
    »Da irren Sie sich aber, Sir«, widersprach der Blonde.
    »Wie bitte, Engländer?«
    »Brite«, seufzte der Blonde. »Es gibt durchaus noch Drachen, und derzeit bin ich auf der Jagd nach einem solchen.«
    »Habt ihr gehört, Leute?« rief der alte Curd. »Bringt eure Schwiegermütter in Sicherheit!«
    »Ich muß doch sehr bitten!« protestierte Pater Ralph.
    »Der Pater hat recht«, schmunzelte Goadec. »Was du hier betreibst, ist Verunglimpfung von Minderheiten. Man könnte es fast schon Rassismus nennen!«
    »Ach, der Pater hat recht? Der hat ja keine Schwiegermutter«, seufzte Curd. »Ich hatte zeitlebens insgesamt fünf. Eigentlich dürften diese Priester mit ihrem Zölibat gar nicht in den Himmel kommen, denn ohne Schwiegermütter haben die doch schon den Himmel auf Erden…«
    »Fünf?« staunte Goadec. »Fünf Schwiegermütter? Bist du Ölscheich oder Mormone?«
    »Nacheinander hatte ich die, du alberner Weinpanscher.«
    »Und die sind dir alle von Drachenjägern
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