Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0560 - Der Rattenmensch

0560 - Der Rattenmensch

Titel: 0560 - Der Rattenmensch
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
wollte, daß er mich beschützt. Ich war damals so allein. Heute bin ich es auch, nur kam es mir schlimmer vor, als junger Mensch allein zu sein. Ich kannte meinen Zauber. Ich habe von meinen Vorfahren viel gelernt. Sie brachten mich mit Dingen in Kontakt, die andere Menschen ablehnten. Zu diesen Geheimnissen gehörte auch der Rattenzauber, den ich durchführte. Ich mußte ihn beschwören, was mir gut gelang. Nur hätte ich einen anderen Zeitpunkt wählen sollen. Mein Sohn, der kurz vor der Geburt stand, bekam diesen Zauber mit. Er wurde ihm eingeimpft. Schon beim ersten Schrei stand fest, daß er etwas Besonderes werden würde, ein Rattenmensch. Halb Mensch, halb Ratte. Die Kräfte schlummerten in ihm. Als Kind spielte er gern mit Ratten. Sie kamen zu ihm, weil sie ihn liebten.«
    »Du hast ihm nichts erklärt?«
    »Nein, ich gab ihn ab. Ich wollte ihn nicht großziehen. Er wuchs in einem Heim auf. Es liegt nicht weit von hier entfernt. Wenn ich wollte, konnte ich ihn sehen, doch ich habe ihn nur aus der Ferne betrachtet und nie ein Wort mit ihm gesprochen. Er ging seinen Weg, nur war es in den Augen der Menschen der falsche. Er wurde zu einem Verbrecher. Er tötete, er raubte. Man faßte ihn und steckte ihn, den Freiheitsliebenden hinter die dicken Mauern des Zuchthauses, wo er sein restliches Leben verbringen sollte.«
    »Keiner wußte, welche Kräfte in ihm schlummerten?«
    »Woher auch?« So etwas wie Stolz leuchtete in den Augen der alten Frau. »Ich habe aus guten Gründen den Mund gehalten. Ich wollte nicht, daß irgend etwas an die Oberfläche gerät. Er war nun einmal mit dieser Begabung ausgestattet, das mußten wir akzeptieren, wenn du verstehst, John Sinclair.«
    »Ich habe dafür kein Verständnis. Im Gefängnis konnten ihn die Mauern nicht halten. Er bekam Unterstützung von seinen vierbeinigen Freunden und brach aus.«
    »Ja, sie nagten ihm die Gänge frei. Es gibt viele Ratten hier. Sie alle gehorchen ihm und kommen, wenn sie seinen Ruf vernehmen. Auch Zuchthausmauern können sie nicht aufhalten. Er ist so etwas wie ihr König. Sein wilder Trieb brach in der Zelle voll durch. Er verließ das Zuchthaus und tötete. Ich bekam alles mit, ich wußte, wer sich für die Morde verantwortlich zeigte, aber ich hielt den Mund. Mir hätte man nicht geglaubt. Ich führte meine Beschwörungen durch und sah all das Schreckliche. Aber ich erkannte auch, daß ein Gegner kommen und versuchen würde, ihn zu stellen.«
    »Der sitzt jetzt vor dir.« Ich schüttelte den Kopf. »Gegner mag zwar stimmen, aber dein Sohn hat es nicht erkannt. Ich bin mir nicht sicher, doch ich glaube, daß er in mir nicht den großen Feind sieht. Dann hätte er mich schon getötet. Das Gegenteil von dem trifft eher zu. Durch seine Ratten ist es auch mir gelungen, einen Weg in die Freiheit zu finden. Man sucht uns, bestimmt wird man uns finden, aber ich muß auch ihn finden. Noch sitzen wir wie auf einer Insel.«
    »Wenn sie ihn stellen, wird er sie zerreißen.«
    »Ist er gegen Kugeln gefeit?«
    »Ich weiß es nicht. Er wird ein Heer von Ratten gegen sie schicken. Wenn hundert von ihnen den Tod erleiden, kommen zweihundert nach. Damit müssen sie rechnen.«
    »Ich habe draußen erlebt, wie sie ihn beschützten und auch mich. Keine Ratte hat mir bisher Böses getan. Darüber denke ich nach, Lorri.«
    »Wie ich ihn kenne, wird er seine eigenen Pläne verfolgen. Er hat immer das getan, was er wollte, hat auf andere nie Rücksicht genommen und auch niemals welche zu nehmen brauchen.«
    Ich deutete auf die Reste des Katers. »Er war auch bei dir?«
    »Seine Ratten töteten Satan, meinen treuesten Freund«, erwiderte sie traurig.
    »Du müßtest ihn deswegen hassen!«
    Sie breitete ihre Arme aus. »Kann man sein eigen Fleisch und Blut hassen, John Sinclair?«
    Ich atmete tief ein. »Das glaube ich wohl nicht. Zumindest wäre dies unmenschlich. Irgendwo wollen wir uns ja von den anderen Mächten unterscheiden.«
    »Der Meinung bin ich auch. Vielleicht haben die Ratten getan, was sie tun mußten. Ich jedenfalls werde ihm keinen Vorwurf machen. Ich bin jedoch überzeugt davon, daß er wieder zu mir zurückkehren wird. Sehr bald schon, John Sinclair.«
    »Was macht dich so sicher?«
    Ihr rechter Zeigefinger, der aussah wie ein alter Zweig, deutete auf mich. »Es ist deine Anwesenheit hier, die mich derart sicher macht. Nur du allein bist es.«
    »Sucht er einen Partner?« Meine Frage klang leicht spöttisch.
    »Das bestimmt nicht. Er wird gemerkt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher