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0560 - Der Rattenmensch

0560 - Der Rattenmensch

Titel: 0560 - Der Rattenmensch
Autoren: Jason Dark
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dein Maul auf. Rede endlich! Was ist geschehen?«
    Stockend gab der Angesprochene seinen Bericht ab. Gespannt lauschten die Männer den unglaublich klingenden Worten. Dabei konnten sie nicht vermeiden, daß sich auf ihren Gesichtern eine Gänsehaut abzeichnete. Plötzlich hatten sie Furcht bekommen.
    »Das Kuckucksei«, sagte die alte Lorri. »Ich habe davon gesprochen, denkt daran. Jetzt liegt es in eurem Nest. Gebt acht, seid auf der Hut. Die Ratten sind überall. Sie haben nur auf diese Stunde gewartet.«
    Der Mann mit den indianderhaften Zügen trat mit dem rechten Fuß auf. Sein Stiefelabsatz knallte auf den hart gestampften Lehmboden. »Wir werden die Brut verbrennen. Es hat im Zuchthaus bereits einen Toten gegeben. Sie zerbissen einen Kollegen von uns, jetzt haben sie Hunde getötet, aber sie werden die Nacht nicht überleben. Ich lasse Flammenwerfer anfordern. Das ist die einzige Möglichkeit.«
    Lorri erwiderte nichts. Nur in ihren Augen lag ein Ausdruck der Skepsis.
    Der Anführer winkte seinen drei Leuten zu. So wie sie gekommen waren, verließen sie auch die Hütte. Stürmisch und von einem Hauch Brutalität umweht. Ihr Chef drehte sich noch einmal um. Er sprach Lorri an. »Es kann sein, daß wir noch einmal zurückkehren werden. Ich hoffe, daß du meine Fragen dann genauer beantworten kannst. Wenn nicht…« Er deutete in Richtung Zuchthaus. »Hinter den Mauern ist noch genügend Platz, auch für eine Hexe.«
    Er ging, und Lorri schaute ihm kopfschüttelnd nach. »Narren«, flüsterte sie, »was seid ihr doch für Narren!« Sie nickte. »Manchmal sterben Narren schnell.«
    Draußen fuhren die Wagen mit durchdrehenden Reifen ab. Lorri wartete, bis das Motorengeräusch verklungen war. Erst dann stand sie mühsam auf und ging mit steifen Schritten durch den Raum. Auf dem Rost stand ein Kessel mit Wasser. Es köchelte vor sich hin. Lorri legte Holz nach. Die Flammen fraßen sich gierig an die neue Nahrung heran.
    Vom Regal nahm die Frau eine Porzellanschale ohne Griff. Sie füllte Tee hinein und übergoß ihn mit dem heißen Wasser. Nachdem er gezogen war und sein Aroma durch die Hütte wehte, trank sie schlürfend die ersten Schlucke.
    Sie war traurig, ihr Herz mit Bitterkeit erfüllt. Es war die Nacht des Todes, so wie sie es vorausgesehen hatte. Gleichzeitig auch die Nacht der Entscheidung. Alles konnte sich mit einem Schlag ändern, wenn das eintrat, womit sie rechnete.
    Der Ratten-Terror war schlimm. Er sollte nicht noch schlimmer werden, das nahm sie sich vor.
    Sie trank die Schale leer. Auf dem Boden klebten die kleinen Teeblätter. Lorri schaute hinein, als könnte sie daraus lesen. Möglicherweise stimmte es, denn sie wußte plötzlich, daß sie nicht mehr allein war. Zwar in der Hütte, aber außerhalb tat sich etwas. Sie hörte nichts, sie empfing nur diese ungewöhnlichen Schwingungen. Da mußte jemand angekommen sein, ein Fremder…
    Lorri stellte die Tasse weg. Sie konnte die Schritte des Fremden sehr genau verfolgen.
    Jetzt näherte er sich der Tür, blieb davor stehen.
    Die alte Zigeunerin drehte sich um. »Komm zu mir«, sagte sie.
    »Komm ruhig her. Ich glaube sogar, daß ich dich erwartet habe, Fremder.«
    Der Mann drückte die Tür nach innen, und Lorri drehte sich nicht einmal um…
    ***
    Ich schaute auf ihren Rücken, sah das graue Haar, das Ähnlichkeit mit verfilzten Spinnweben aufwies, und wartete darauf, daß sich die Frau umdrehen würde.
    Sie ließ sich Zeit damit, atmete schwer, so daß ich Gelegenheit bekam, mich in der Hütte umzuschauen. Über die schlichte Einrichtung sah ich hinweg. Mir fiel aber etwas anderes auf. Es waren die Reste des getöteten Katers. Beim ersten Blick schon wußte ich, wer dafür die Verantwortung trug.
    Ich räusperte mich, ging vor, und die Frau redete, ohne daß sie sich umdrehte. Ich verstand sie nicht und antwortete mit einer auf deutsch gesprochenen Frage. Die meisten alten Menschen hier verstanden noch Deutsch. Bei Lorri war es nicht anders.
    »Ich weiß, wer du bist.«
    »Und wer, bitte?«
    »Derjenige, der alles entscheiden kann. Ich habe dich bereits in meinen Vorstellungen gesehen. Ich wußte, daß du kommen wirst, um das Grauen zu stoppen.«
    »Ich habe es nicht geschafft.«
    »Das weiß ich. In dieser Nacht ist Schlimmes passiert. Es wird noch mehr geschehen, das weiß ich.« Sie hatte mit müde klingender Stimme gesprochen, in der kein Funken Hoffnung mehr lag. Endlich drehte sich die alte Frau um.
    Ich sah sie von vorn, ihr Gesicht und
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