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054 - Josephas Henker

054 - Josephas Henker

Titel: 054 - Josephas Henker
Autoren: Earl Warren
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Mutter hielt ihm den Mund zu.
    „Pst, sei ruhig, Kind.“
    Da ging ein Schrei durch die Menge am Ufer. Ein nasser roter Haarschopf tauchte aus dem Wasser, ein Gesicht mit großen, grünen Augen. Kein Zweifel, die Frau schwamm. Mit einem zentnerschweren Amboß an den Füßen war sie vom Grund hochgestiegen. Ihre roten Haare breiteten sich im Wasser aus wie ein Schleier.
    „Hexe!“ schrien die Bürger und Bauern. „Satansbuhlerin. Schlagt sie tot! Übergebt sie dem Henker!“
    „Holt sie aus dem Wasser“, sagte der Richter zu den Schergen. „Es gibt keinen Zweifel mehr, sie ist eine Hexe. Noch heute werde ich das Urteil sprechen, und morgen soll der Henker seines Amtes walten.“
    Als die Rothaarige von den Schergen aus dem Wasser gezogen wurde, floh der große, breitschultrige Mann über die Felder in den nahen Wald. Er konnte das Geschrei der Menge nicht mehr hören, ihre Blutgier und Mordlust ertragen, hinter denen sich die nackte Angst verbarg. Mehr als alles aber fürchtete der Mann, noch einmal in die großen, grünen Augen der rothaarigen Frau sehen zu müssen.
    Die Menge schrie und johlte. Der Richter stand mit verschränkten Armen, grimmig, unnahbar. Der Abt des nahen Klosters murmelte Gebete. Die Schergen fluchten, denn es war nicht leicht, die Frau mit dem zentnerschweren Amboß an den Füßen aus dem tiefen Wasser zu ziehen.
     

     

„Ich glaube, wir fahren besser rechts ab, Darling. Das rote Licht da unter dem Tacho gefällt mir nicht. Wir haben einen Defekt an der Lichtmaschine.“
    „Ach, Paul, wir wollten doch heute noch bis München kommen. Meinst du, das schaffen wir?“
    Paul Warringer zog die Schultern hoch. Er sah eine Ausfahrt und ordnete sich rechts ein, blinkte. Den Namen des Ortes hatte er nicht entziffern können, denn er mußte noch an einem schweren Lastzug vorbei.
    „Keine Ahnung, Josy. Wenn wir gleich eine Autoreparaturwerkstätte finden …“
    Im stillen verfluchte Paul die Leihwagenfirma. Das Auto war noch kein halbes Jahr alt, und trotzdem streikte es jetzt. Vielleicht handelte es sich um ein Montagsauto, um eines jener Produkte des Tages, an dem der meiste Ausschuß der Woche anfiel.
    Als Flugzeugkonstrukteur kannte Paul sich mit den Problemen der Industriefertigung aus. Ihn ärgerte aber, daß ausgerechnet er dieses Pech haben mußte. Schließlich befanden er und Josepha sich auf der Hochzeitsreise. Er hatte für München schon ein Zwei-Tages-Programm zusammengestellt. Ein Hotelzimmer wartete.
    Die Autobahnausfahrt führte auf eine Bundesstraße. Der nächste Ort war zwölf Kilometer entfernt.
    Die Sonne stand tief über dem Wald. Breite Äste beschatteten die Straße. Abgestorbenes Laub moderte zwischen den Bäumen, und unterhalb des Abhangs neben der Straße rauschte ein kleiner Bach. Nach dem Wald kamen Felder mit Getreide und Kartoffeln. Dann sah Paul den kleinen Ort vor sich.
    Das Ortsschild war der rasanten Kurventechnik eines Autofahrers zum Opfer gefallen. Am Ortsausgang war eine Tankstelle. Paul fuhr vor die Werkstatt.
    Nichts regte sich. Die Tankstelle war verlassen. Paul hupte ein paarmal. Da öffnete sich ein Fenster der Wohnung über der Tankstelle. Ein junger Mann schaute heraus.
    „Ja?“
    „Ich habe einen Schaden an der Lichtmaschine“, sagte Paul. „Können Sie mal nachsehen?“
    Der Mann kam herunter. Er trug einen grauen Kittel. Er musterte Paul von Kopf bis Fuß ungeniert. Josepha war im Wagen sitzengeblieben. Eine große Sonnenbrille verdeckte ihr halbes Gesicht. Sie trug ein helles Kopftuch, denn Paul hatte das Schiebedach geöffnet.
    Der Motor des dunkelblauen Wagens tuckerte leise. Der Mann sah sich das rote Licht an, öffnete die Motorhaube. Er sah auf den Motor und kratzte sich nachdenklich hinter dem Ohr.
    „Ich bin hier nur der Tankwart. Der Tankstellenpächter kommt morgen. Der wird das schon machen können. Sonst kommen Sie mit dem Wagen nicht mehr weit.“
    „Goddam, dann komme ich heute nicht mehr nach München. Wird der Schaden denn bis morgen Mittag behoben? Oder kann ich irgendwo anders hingehen?“
    „Das wird wenig Zweck haben. Dort geht es auch nicht schneller. Morgen Mittag. So … hm, naja. Mal sehen.“
    „Kann man hier irgendwo übernachten?“
    „Im Gasthof. Lassen Sie den Wagen am besten hier stehen. Nehmen Sie die Sachen heraus, die Sie brauchen. Was für ein Landsmann sind Sie denn eigentlich? Sie sind doch kein Deutscher?“
    „Ich bin Amerikaner. Meine Vorfahren waren Deutsche. Ich spreche Deutsch und meine Frau
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