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054 - Josephas Henker

054 - Josephas Henker

Titel: 054 - Josephas Henker
Autoren: Earl Warren
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auch.“
    Der Tankwart musterte Josepha.
    „Irgendwie kommt mir Ihre Frau bekannt vor“, sagte er nachdenklich.
    Paul Warringer war ein großer, breitschultriger Mann. Er hatte ein offenes, sympathisches Gesicht und dunkle Locken. Er überragte den schmächtigen Tankwart um einen halben Kopf.
    Die Redensarten dieses merkwürdigen Tankwarts gefielen ihm nicht. Der Mann trat von einem Bein aufs andere, wirkte nervös und fast ängstlich. Es schien, als wollte er so schnell wie möglich wieder in die Wohnung über der Tankstelle kommen.
    „Okay“, sagte Paul Warringer. „Sagen Sie Ihrem Chef, er soll sich gleich an die Arbeit machen, wenn er zurückkommt. Rufen Sie uns im Gasthof an und sagen Sie, wann der Wagen fertig ist.“
    Der Tankwart nickte und ging weg. Paul öffnete den Kofferraum, holte die Sachen, die er für eine Nacht benötigte, aus dem Koffer und wickelte sie in ein Handtuch. Die Kleinigkeiten, die Josepha unbedingt für die paar Stunden brauchte, füllten einen Koffer und zwei große Taschen.
    Josepha war vier Jahre jünger als Paul, dreiundzwanzig. Sie hatte eine zierliche, durchtrainierte Figur mit einer überraschenden Oberweite. Sie war Tänzerin. Mit ihrem langen, roten Haar und den grünen Augen war sie Paul an jenem Abend im ‚Michigan Club’ in Chikago gleich aufgefallen. Josepha hatte den feinen, hellen Teint der Rothaarigen. Fast durchsichtig erschien ihre Haut.
    Paul ging beladen wie ein Packesel die Straße entlang. Josepha neben ihm reichte ihm gerade bis zur Schulter. Sie trug sein Handtuch, Zahnputzzeug, Rasierapparat und Schlafanzug. Sie sah sich nach allen Seiten um.
    Es war ein düsterer, kleiner Ort mit verwinkelten Straßen, in dem die Zeit stillgestanden zu sein schien. Paul sah mehrere alte Fachwerkhäuser. Einige Gebäude waren unbewohnt. Unkraut wucherte vor diesen Häusern, und die Fensterscheiben waren zerschlagen. Ein merkwürdiger Ort. Die Sonne sank im Westen. Die Dämmerung brach schon herein.
    Josepha überlief ein Schauder. Irgendwie kam ihr dieser Ort bekannt vor. Es war ihr, als habe sie von diesem Ort schon geträumt, und eine düstere Ahnung bemächtigte sich ihrer. Sie versuchte den Bann abzuschütteln.
    „Stell dir vor, wir kommen in einen alten, muffigen Gasthof, in dem die Betten quietschen“, sagte sie zu Paul und zwang sich zu einem kleinen Lachen.
    „Dann werden sie wohl tüchtig quietschen“, meinte Paul grinsend.
    Er konnte nirgends ein Gasthaus sehen. Doch da kam eine alte Frau aus einer Seitengasse. Direkt vor Paul und Josepha blieb sie stehen.
    Josepha hatte Sonnenbrille und Kopftuch abgenommen. Die Altestarrte Josepha an. Dann wich sie einen Schritt zurück, bekreuzigte sich. Ihr Gesicht drückte Entsetzen aus.
    „Jesus Maria“, stammelte sie. „Da ist sie wieder. Heiland, steh mir bei.“ Und zu Josepha gewandt: „Ich habe nichts getan! Ich habe nichts getan!“
    Ein alter Mann kam aus einem Hausflur. Er humpelte am Stock.
    „Komm, Marthe, schnell“, rief er. „Geh weg von ihr.“
    „Was soll denn das?“ fragte Paul ärgerlich. Er sah jetzt, daß hinter den Fenstergardinen zu beiden Seiten der Straße Gesichter hervorsahen. Aber niemand zeigte sich auf der Straße. „Das ist ja, als hätten wir die Pest. Hören Sie, gute Frau, sagen Sie uns den Weg zum Gasthaus, sonst wollen wir nichts von Ihnen.“
    „Die Straße runter und rechts“, sagte die alte Frau rasch.
    Dann hastete sie an Paul und Josepha vorbei und lief ins Haus, so schnell sie konnte. Die Tür schlug hinter ihr und dem alten Mann zu.
    Paul schüttelte den Kopf.
    „Merkwürdiges Volk“, sagte er.
    Da hängte sich Josepha an seinen Arm und sah zu ihm auf.
    „Laß uns gehen, Paul. Laß uns den nächsten Zug nehmen und nach München fahren. Dort geht es zum Bahnhof.“
    „Was soll denn das? Jetzt fängst du auch noch an, Josy? Soll ich vielleicht das Auto hier stehenlassen und mich dann mit der Leihwagenfirma herumärgern? Oder willst du von München aus per Taxi nach Salzburg fahren? Kommt überhaupt nicht in Frage, wir sind doch nicht im Kindergarten.“
    Er sah Josephas weit aufgerissene Augen, die Angst in ihrem Gesicht. Etwas sanfter fragte er: „Was hast du denn plötzlich, Darling?“
    „Es ist … es ist dieser Ort. Er ist so unheimlich. Und es ist, als kannte ich ihn, als sei ich hier schon gewesen. Ich kann es nicht erklären, aber ich möchte die Nacht auf keinen Fall hier verbringen. Laß uns mit dem Zug weiterfahren, bitte.“
    Paul lachte.
    „Du brauchst
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