Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
054 - Josephas Henker

054 - Josephas Henker

Titel: 054 - Josephas Henker
Autoren: Earl Warren
Vom Netzwerk:
dich doch nicht zu fürchten. Ich bin ja bei dir. Und vor mir hast du doch keine Angst, Darling. Komm, es wird schon ganz dunkel. Wir gehen ins Gasthaus. Kein Wort mehr von diesem Unsinn, ja?“
    Josepha wußte, daß es keinen Zweck hatte, Paul zu widersprechen. Langsam und mit gesenktem Kopf ging sie hinter ihm her. Er steuerte direkt auf das Gasthaus zu.
    Josepha hatte Angst. Mit Schrecken sah sie der Nacht entgegen.
     

     
    Der Gasthof war klein, die Gaststube düster. Hinter dem Tresen stand ein untersetzter, kräftiger Mann. Paul fiel der starre Blick seines linken Auges auf. Dann merkte er, daß der Wirt ein Glasauge hatte. Es war schwarz, das rechte braun. Der Wirt blickte seine Gäste an und sagte mürrisch: „Zimmer 14. Ich habe Sie schon erwartet.“
    Er gab Paul einen Schlüssel und deutete auf die Treppe. Paul steckte den Schlüssel ein, nahm das Gepäck wieder auf.
    Josepha stieg vor ihm hoch, und er hatte Gelegenheit, ihre schlanken Beine zu bewundern. Auch der Wirt sah Josepha nach, wie Paul mit einem raschen Blick über die Schulter feststellte, doch in seinem Gesicht waren Entsetzen und Abscheu zu lesen. Und Angst.
    Die alte Holztreppe knarrte unter Pauls Gewicht. Von einem düsteren Gang zweigten links und rechts Türen ab. An einer schweren, eisenbeschlagenen Tür stand in verschnörkelter Malerei die Zahl 14. Josepha nahm den Schlüssel aus Pauls Tasche, schloß auf. Sie tastete nach dem Lichtschalter, aber es gab keinen.
    Aus dem Flur, in dessen Mitte eine nackte, trübe Glühbirne brannte, fiel ein schwacher Lichtschein ins Zimmer.
    Paul stellte die Taschen und den Koffer ab und ging zurück zur Treppe.
    „Gibt es kein Licht in Nummer 14?“ rief er.
    „Wir sind am Renovieren“, antwortete der Wirt mürrisch. „Nummer 14 ist überhaupt das einzige bewohnbare Zimmer. In den andern sind überall die Handwerker. Sie werden sich mit Kerzenlicht begnügen müssen.“
    „Das wurde wohl auch Zeit mit der Renovierung“, sagte Paul bissig. „Können wir wenigstens etwas zu Essen haben, oder wird die Küche auch renoviert?“
    „Im Speisesaal“, antwortete der Wirt gleichgültig.
    Josepha hatte inzwischen eine Kerze entzündet. In dem flackernden Schein erkannte Paul kahle Wände, einen wackligen Hocker, einen uralten Wandschrank – ein antikes Stück mit schönen Schnitzereien – und ein großes Bett. Eine rote Samtdecke, dünn und zerschlissen vom vielen Gebrauch, war über das Bett gebreitet.
    „Laß uns abreisen, Paul“, sagte Josepha mit seltsam verlorener Stimme. „Dieser Ort, dieses Haus und dieses Zimmer …“ Sie brach ab.
    Auch Paul war es nicht mehr ganz wohl. Die düstere Umgebung bedrückte ihn. Zudem hatte er tief in seinem Innern ein merkwürdiges Gefühl. Er wußte genau, daß er hier noch nie gewesen war, doch irgendwie kamen ihm das Gasthaus und das Zimmer bekannt vor. Aber Paul Warringer, ein nüchterner Techniker, ließ sich von solchen Dingen nicht beeindrucken.
    „Wir wollen hier ja nicht unsere gesamten Flitterwochen verbringen“, sagte er. „Es ist nur die eine Nacht.“
    Josephas düstere Stimmung, ihre grundlose Schwermut ärgerten ihn, sonst hätte er vielleicht den Gasthof verlassen. Doch es widerstrebte ihm einfach, Josephas Launen nachzugeben. Er verstand sie nicht. Sonst war sie immer munter und lebenslustig, doch seit sie in diesen Ort gekommen waren, erschien sie Paul wie ausgewechselt.
    „Packen wir unsere Sachen aus“, sagte Paul.
    Nicht einmal fließendes Wasser gab es, sondern nur eine Emaillewaschschüssel. Paul legte seine Sachen in den Schrank. Josepha saß auf der Bettkante, starrte vor sich hin und machte keine Anstalten auszupacken.
    Paul setzte sich neben sie. Er küßte ihren Nacken, umfaßte ihre Brüste und zog sie an sich. Er ließ sich nach hinten auf das Bett fallen.
    Josepha machte sich frei, setzte sich wieder auf. Sie erhob sich, packte ihren Koffer und die beiden Taschen aus. Paul sah ihr mißgelaunt zu. Warum zeigte sie ihm die kalte Schulter? Er zuckte die Achseln. Frauen hatten eben manchmal ihre Launen.
    Als Josepha ihre Sachen verstaut hatte, gingen sie hinunter in den Speisesaal. Pauls Ahnungen bestätigten sich. Auch hier gab es kein elektrisches Licht, wohl infolge der Renovierungsarbeiten. Der Speisesaal war mit altdeutschem Mobiliar eingerichtet. Kerzen flackerten auf jedem Tisch in einem Leuchter.
    Es waren nur sechs Gäste da. Vier Männer und zwei Frauen. Paul und Josepha setzten sich an einen freien Tisch. Die Leute
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher