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0514 - Der Schädeltempel

0514 - Der Schädeltempel

Titel: 0514 - Der Schädeltempel
Autoren: Werner Kurt Giesa
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die Kneipe zu ist, nehme ich kein Geld ein, aber solange das Verschwinden der beiden Männer nicht geklärt ist, kann ich den Laden doch nicht offen lassen!«
    »Hast du keine Angst, daß ihr beide - du oder deine Frau - auch verschwinden könntet?« fragte Nicole.
    »Du hast ja auch keine Angst.« Damit war für Mostache das Thema erledigt.
    Bloß hatte er unrecht. Nicole fürchtete sehr wohl, daß auch sie plötzlich verschwinden könnte. Sie verdrängte die unerfreulichen Gedanken und konzentrierte sich auf ihre Aufgabe. Mit einem starken Gedankenbefehl löste sie die entsprechende Funktion des Amuletts aus, versetzte sich in Halb-I rance und begann mit der Steuerung entgegen dem Zeitverlauf. Der Drudenfuß in der Mitte der handtellergroßen Silberscheibe verschwand; eine Art Mini-Fernsehschirm bildete sich, der ein Bild der unmittelbaren Amulett-Umgebung zeigte. Nicole brachte es fertig, den Radius noch ein wenig zu erweitern. Das Bild wurde dadurch undeutlicher, aber dafür hatte sie jetzt den gesamten Schankraum im Blickfeld.
    Es war, als liefe ein Film rückwärts. Sie sah die anderen Gäste rückwärts hereinkommen und sich in der Schankstube verteilen, sie sah Zamorra, der von Nicole das Amulett entgegennahm - natürlich war das alles ja in umgekehrter Reihenfolge geschehen. Und jetzt kam der entscheidende Augenblick: Das Auftauchen André Goadecs!
    Er war von einem Moment zum anderen da.
    Nicole polte das Amulett wieder auf »Vorwärts«. Im Zeitlupentempo tastete sie sich an André heran. Aber selbst, als sie Sekunden zu Minuten dehnte, schaffte sie es nicht, sein Verschwinden zu dokumentieren.
    Er war einfach fort, von einem Sekundenbruchteil zum anderen. Es gab keinen Übergang. Kein Flimmern, keine Durchsichtigkeit des Körpers… nichts. Gerade war er noch da, im nächsten Augenblick war er auch schon fort.
    Auch jetzt zeigte Merlins Stern keine Schwarze Magie an.
    Nicole gab den Versuch bei André Goadec schließlich auf und tastete sich im »Schnelldurchlauf« zu Pascal Lafitte weiter. Aber bei ihm war es dasselbe. Auch sein Verschwinden war spontan und nicht kontrollierbar. Es gab keinen Hinweis auf das Ziel und keinen auf die Art der Kraft, die dieses Verschwinden bewirkt hatte.
    Nicole löste sich wieder aus der Halbtrance. »Alles für die Katz«, stellte sie fest. »Keine Ursache feststellbar. Unter diesen Umständen, Mostache, solltest du die Schänke geschlossen lassen und diesen Raum auch selbst vorerst nicht mehr betreten. Zumindest nicht so lange, wie Zamorra oder ich keine Entwarnung geben.«
    »Na klasse«, brummte der Wirt. »Und wie lange kann das dauern? Zwei Stunden? Zwei Tage? Zwei Jahre?«
    Nicole stupste ihm den Zeigefinger vor die Brust. »Sag mal, haben wir dich oder sonst jemanden jemals enttäuscht? Es wird keine zwei Jahre dauern. Des Rätsels Schlüssel ist dieser Fremde, und den werden wir aufspüren und zur Rechenschaft ziehen. Stell dir einfach vor, du hättest Betriebsurlaub.«
    »Ausgerechnet jetzt, wo die Leute ihren Wein nicht mehr zu Hause auf der Gartenbank trinken, sondern vom Sauwetter in die Kneipe gedrängt werden«, murrte Mostache. Nicole grinste ihn an.
    »Selbst schuld«, sagte sie. »Du hättest deine Saufbude nicht umtaufen sollen. Der Name ›Zum Teufel‹ ist nicht nur Provokation, sondern auch ein Omen…«
    »Du meinst Ofen?«
    Nicole sah Mostache durchdringend an. Sein Gesichtsausdruck verriet nicht, ob er es ernst meinte oder sie nur verkaspern wollte. Schließlich wandte sie sich ab. »Bis später, Mostache. -Und Ihnen, Jeanette?«
    Sie sah sich um. Wo war Jeanette?
    Sekundenlang glaubte sie schon, auch die Studentin sei jetzt verschwunden. Aber dann entdeckte sie das Mädchen am Fenster, das keine Anzeichen von Zerstörung mehr aufwies. Jeanette tastete Glas und Rahmen ab.
    »Sie sollten auch gehen, Jeanette.«
    Die Studentin zuckte mit den Schultern und verließ das Lokal. Nicole winkte Mostache zu und folgte ihr. Sie stieg in den BMW, um zum Château zurückzufahren.
    Derweil betrat Mostaches Frau die Gaststube. Sie hatte ein paar kleine Arbeiten in der Küche abgeschlossen. »Mostache? - He, Mostache, wo steckst du? Laß diese albernen Scherze…«
    ***
    Der Mann sah sich verwirrt um. Er war älter als der erste, und das braunhaarige Mädchen wußte, daß es seinen Verlust eher verschmerzen würde. »Auch du bist nicht der Richtige«, erkannte sie. »Geh dort hinein.«
    »Aber warum?«
    »Weil du nicht der Richtige bist.«
    »Das ist die dümmste
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