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051 - Duell mit den Ratten

051 - Duell mit den Ratten

Titel: 051 - Duell mit den Ratten
Autoren: Paul Wolf
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alten Schinken loswerden, Artie. Er ist schon mit zehn Pfund überbezahlt, und ich biete Ihnen sogar fünfzehn!«
    Der Alte machte eine abwehrende Bewegung mit den Händen, schüttelte immer wieder den Kopf und stieß die Luft verächtlich aus. »Zehn Pfund ist allein schon der Rahmen wert. Und dann erst das Bild selbst! Sehen Sie sich nur die Pinselführung an! Und die Farbabstimmung! Ich sage Ihnen, das Bild stammt von einem der alten Meister. Wenn ich es zu Christies bringen würde …«
    »… würde man Sie hinausschmeißen«, vollendete der bärtige Künstler den Satz.
    Der Alte erblickte Dorian, begrüßte ihn nebenbei und führte dann das Streitgespräch mit seinem Kunden fort.
    »Sie wollen nur den Preis drücken«, sagte er wissend. »Sie wollen mich übers Ohr hauen. Wenn ich Ihnen dieses Meisterwerk für fünfzehn Pfund überlasse, rennen Sie damit ins nächste Auktionshaus und können dort mit fünfzig rechnen.«
    »Für diesen Kitsch?« empörte sich der Maler. »Sie wissen ganz genau, wozu ich diesen Schinken brauche. In dieser Form ist das Bild einen Dreck wert. Erst ich werde ein Kunstwerk daraus machen. Fünfzehn Pfund, Artie. Das ist mein letztes Wort.«
    »Dreißig«, konterte der Alte. Er vollführte schwungvolle Handbewegungen über dem Bild und schwärmte: »Sehen Sie sich nur die fein nuancierten Schatten an! Die Augen der Frau scheinen zu leben. Immer, wenn ich dieses Gesicht betrachte, glaube ich, ein lebendes Wesen vor mir zu haben. Was für eine schöne Frau muß das gewesen sein! Wenn Leonardo da Vinci sie gemalt hätte, wäre eine zweite Mona Lisa daraus geworden. Ja, ich finde, daß dieses Gesicht faszinierender, rätselhafter und viel aussagekräftiger als das der Mona Lisa ist.«
    »Ich würde auch für sie nicht mehr als fünfzehn Pfund auslegen«, behauptete der Maler abfällig. Er wurde sich erst jetzt der Anwesenheit Dorians bewußt. Ohne lange Umschweife wandte er sich an ihn, hielt ihm das Bild hin und fragte zwinkernd: »Was meinen Sie, Mister? Ist dieses Mädchen nicht auch schon mit fünfzehn Pfund überbezahlt?«
    Dorian mußte unwillkürlich lächeln, aber als er auf das Bild blickte, erstarrte sein Lächeln. Er war zu wenig Kunstkenner, um sagen zu können, ob hier ein Meister am Werk gewesen war, aber das abgebildete Mädchen faszinierte ihn ungemein. Der Alte hatte nicht übertrieben.
    Man konnte bei ihrem Anblick wirklich glauben, daß sie jeden Augenblick aus dem Rahmen steigen würde.
    Sie war im Halbprofil und bis zur Taille abgebildet. Über ihre nackten Schultern fiel ein besticktes Seidentuch, das ihre Brüste bedeckte. Die Brustwarzen schimmerten nur leicht durch die Seide, waren aber dennoch ungeheuer plastisch. Am meisten war Dorian jedoch von dem Gesicht angetan. »He!« rief der Maler. »Was ist denn mit Ihnen los, Mister?
    Träumen Sie? Sagen Sie dem alten Artie schon, daß man diesen Schinken höchstens auf dem Lokus aufhängen kann.«
    Dorian räusperte sich und sagte: »Wenn Sie den geforderten Preis nicht bezahlen wollen, dann werde ich das Bild kaufen.«
    »Na, Sie sind mir vielleicht ein Pharisäer!« erregte sich der Maler. »Fallen mir einfach in den Rücken! Bekommen Sie von Artie etwa eine Provision?« Er fluchte und sagte dann zu dem Alten: »Also schön, ich bleche die dreißig Pfund. Aber nur, damit dieser Banause das Bild nicht bekommt. Sie sind imstande und hängen sich diesen Kitsch ins Schlafzimmer übers Bett, Mister.«
    Er griff wutschnaubend in die Tasche seiner Flicken-Lederjacke, holte ein Bündel zerknitterter Banknoten heraus und drückte es dem Alten in die Hand.
    »Die fehlenden fünf Pfund bringe ich bei Gelegenheit vorbei«, erklärte er und wandte sich mit dem Bild unter dem Arm dem Ausgang zu. Beim Hinausgehen murmelte er immer noch: »So ein Pharisäer!«
    Dorian blickte ihm ratlos nach. Er hätte das Bild tatsächlich gern erstanden. Sollte er diesem verrückten Exzentriker nachlaufen und es ihm für den doppelten Preis abkaufen? Nein, das hätte bestimmt keinen Sinn gehabt, denn er hatte ihn anscheinend so in Rage gebracht, daß er ihm das Bild auch nicht für ein Vermögen überlassen würde.
    »Total verrückt!« meinte der Alte schmunzelnd und ging zu einer alten Registrierkasse, um das Geld zu verstauen. »Dabei hat er bestimmt keinen schlechten Kauf gemacht. Aber er ist der festen Überzeugung, daß alles keine echte Kunst ist, was er nicht selbst gemalt hat. Wenn er einen Picasso in die Hände bekäme, würde er ihn
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