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051 - Duell mit den Ratten

051 - Duell mit den Ratten

Titel: 051 - Duell mit den Ratten
Autoren: Paul Wolf
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Joey phantasierte kaum noch. Nur einmal sagte er wie im Schlaf, aber so deutlich, daß sie alle es verstehen konnten: »Verzeih mir, Prosper, ich wollte dich nicht verlassen! Sie haben mich gewaltsam verschleppt. Ich wollte es nicht.«
    Dann wurde er still. Nur der Motorenlärm war noch zu hören.
    Als sie die Stadtgrenze von London erreichten, fragte Mr. Blair nach hinten: »Schläft er?«
    Er bekam keine Antwort. Deshalb drehte er sich um und sah, wie seine Frau ihren Sohn eng umschlungen hielt und ihn fest an sich preßte. Sie ließ ihren Tränen freien Lauf, die von ihrem Kinn auf Joeys wächsernes Gesicht tropften.
    Mr. Blair mußte sich abwenden. Verschwommenen Blicks starrte er durch die Windschutzscheibe nach draußen, ohne jedoch irgend etwas wahrzunehmen. Sein Geist war öd und leer, ein Vakuum, in dem nur ein einziger Gedanke kreiste: Zu wem war Joey in solche Abhängigkeit geraten, daß er sein Leben im Kollegium Isacaaron zurückließ, als sie ihn von dort wegholten?
     

     

Dorian Hunters erster Weg nach seiner Rückkehr führte ihn in die O’Hara-Stiftung, wo seine Frau Lilian untergebracht war. Der Professor hatte ihm versichert, daß sich ihr Zustand wesentlich gebessert hätte. Davon konnte sich Dorian selbst überzeugen. Lilian hatte ihn sofort erkannt und in einem Gespräch sogar anklingen lassen, daß sie Bruchstücke ihrer Erinnerung zurückerhalten hätte. Aber ihr Anblick war für Dorian dennoch deprimierend gewesen. Sie war und blieb unheilbar geistesgestört; das konnte ihm nun nicht einmal mehr der Professor verhehlen.
    Dorian war nur etwa zwei Stunden geblieben, dann fuhr er im Taxi nach Soho. Coco, seine Lebensgefährtin, hatte ihn einmal bei einem Bummel durch die City auf eine Vase aus Milchglas aufmerksam gemacht, die sie im Schaufenster eines Trödlerladens entdeckt hatte und die ihr besonders gut gefiel. Dorian wollte sie ihr als Geschenk mitbringen. Er war über einen Monat von ihr fort gewesen. Sein Weg hatte ihn in die USA, nach Hollywood und New York geführt. Und als er nach London zurückgekehrt war, hatte ihn sein Vorgesetzter bereits auf dem Flughafen erwartet und ihn in eine Maschine nach Borneo verfrachtet, wo er einen Fall von Amoklauf zu untersuchen hatte.
    Der Abstecher nach Borneo hatte sich gelohnt, denn es war ihm nicht nur gelungen, seinen Bruder Jerome Hewitt zur Strecke zu bringen, sondern er hatte auch Asmodi, dem Oberhaupt der Dämonenfamilie, eins auswischen können. Und das sogar, ohne daß ein Verdacht auf ihn gefallen war.
    Dorian entdeckte den Trödlerladen und ließ das Taxi anhalten. Er entlohnte den Fahrer, stieg aus und betrat das Geschäft. Als er die Tür öffnete, begann eine Messingglocke zu bimmeln.
    Obwohl der Laden ziemlich geräumig sein mußte, konnte man sich darin kaum bewegen, weil er bis auf den letzten Fleck mit Gerümpel vollgestopft war. Freilich, Dorian wußte aus Erfahrung, daß sich unter dem wertlosen Krimskrams auch so manche Schätze verbargen. Selbst jetzt, wo ein regelrechter Run auf Antiquitäten jeglicher Art eingesetzt hatte, konnte man bei den Trödlern von Soho noch wertvolle Stücke zu Spottpreisen erstehen.
    Da niemand erschien, um Dorian zu bedienen, öffnete und schloß er die Tür noch einmal, um die Glocke erneut zum Bimmeln zu bringen. Und als er auch daraufhin allein blieb, sah er sich um.
    Die Vase aus Milchglas stand immer noch zwischen alten Schuhen, verdreckten Aschenbechern und Schachteln mit Knöpfen und Glasmurmeln in der Auslage. Sie war etwa siebzig Zentimeter hoch und mit bunten Blumensträußen und goldenen Blattornamenten reichlich verziert. Selbst ihm gefiel sie, und er nahm sich vor, bis zu dreißig Pfund dafür auszugeben.
    Langsam wurde er jedoch ungeduldig. Er wollte schon erneut zu der Glocke hinauflangen, als er aus der Tiefe des Ladens Stimmen hörte, die immer lauter miteinander diskutierten. Kurz darauf erschienen zwischen Regalen, schweren Holzmöbeln und Messingbetten zwei Männer. Der eine war alt, hatte einen grauen Vollbart und ging gebeugt: er mußte der Besitzer sein. Der andere war jung, nicht weit über zwanzig und hatte einen dichten, ungepflegten Vollbart und lange, gewellte Haare. Seine ganze Erscheinung ließ Dorian darauf tippen, daß es sich um einen Künstler handelte. Er hielt ein Bild mit einem schweren, golden gestrichenen Holzrahmen hoch über den Kopf, um nicht irgendwo damit anzustoßen.
    Gerade sagte er mit voller, tiefer Stimme: »Sie können froh sein, wenn Sie den
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