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0506 - Die Spur der Ratte

0506 - Die Spur der Ratte

Titel: 0506 - Die Spur der Ratte
Autoren: Werner Kurt Giesa
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überschlug. Er wünschte sich insgeheim, eine gütige Fee möge den Herrn Staatsanwalt von seiner Krankheit des Understatements heilen; er als Arzt fand kein brauchbares Rezept mehr dagegen.
    »Eintritt des Todes durch Verbluten infolge zahlreicher Rattenbisse«, brummte er unbehaglich auf Barins Frage, was er denn offiziell in die Akte schreiben wolle. »Was soll ich sonst hineinkritzeln? Daß das Opfer alles Mögliche, aber keinesfalls ein Mensch ist? Glaubt doch niemand. Hören Sie, René, könnte es Ärger geben? Unter welchen Umständen ist der Tote gefunden worden?«
    »Das müssen Sie Robin fragen«, brummte Barin. »Das ist sein Fall -falls es denn ein Fall wird. Ich habe jedenfalls keinen Ehrgeiz, es zu einem zu machen - zumindest nicht nach dem, was Sie mir eben gezeigt haben.«
    »Und wenn Robin es zu einem Fall macht? Der Mann ist ein Karrierist.«
    Barin lachte leise. »Wären Sie das an seiner Stelle nicht? Er ist von Paris nach Lyon ›strafversetzt‹ worden, wie er selbst das nennt, weil er seinen Kollegen in der Hauptstadt zu unkonventionell und zu erfolgreich war. Er paßt in keine Schablone. Und hier macht er im gleichen Stil weiter. Was das angeht, haben Sie recht - wenn Blanchard oder Maurignac zuständig wären, hätten wir keine Probleme. Die würden den Aktendeckel zuklappen.«
    »Aber Robin wird bohren«, murmelte der Mediziner.
    Barin nickte. Allerdings wußte er, daß Chefinspektor Robin schon einmal eine Akte ungelöst hatte schließen müssen. Und das nagte wahrscheinlich an ihm; er würde daher nur um so zäher agieren.
    Sofern aus dem Fall wirklich etwas zu machen war.
    Rattenbisse!
    »Wenn man vom Teufel spricht, dann kommt er«, stieß Dr. Mathieu plötzlich hervor.
    »Ich wußte doch, daß ich Sie um diese Zeit hier finde, monsieur le procureur. Schön, daß Sie den Skalpellhelden auch gleich mit hierher entführt haben, das schlägt zweieinhalb Fliegen mit einer Klappe. Ich darf doch? Danke.«
    Chefinspektor Pierre Robin schnappte sich einen leeren Stuhl vom Nebentisch und pflanzte sich darauf. »Was ist jetzt mit meinem Rattenmann? Mord oder nicht Mord, das ist hier die Frage.«
    »Die Zeit, die Sie hier für Ihre geschwollenen Reden verschwenden, könnten Sie besser nutzen, Verbrecher zu fangen.«
    Robin grinste. »Für diese Stunde gebe ich mich mit Spesenrittern zufrieden«, sagte er. »Was ist nun mit den Rattenbissen? Die sind doch nicht normal, oder? Und der Tote war verflixt leicht.«
    »Woher wissen Sie das?« entfuhr es Dr. Mathieu.
    »Weil ich mit angefaßt habe, als er in den Zinksarg gelegt wurde. Unsereiner ist sich für sowas ja nicht zu schade. Also, was war das für ein Wesen? Die Bisse waren doch sicher nicht die Todesursache. Das war doch nur Show, um etwas zu vertuschen. Künstlich angebracht, oder?«
    »Nein!« stieß der Pathologe hervor. »Das waren echte Bisse. Bißweite und Zahnlänge entsprechen proportional einer normalen Kiefergröße - nur halt um ein Vielfaches gigantischer, und…«
    »Kaufen Sie sich eine Brille«, unterbrach ihn Barin ätzend. »Eine gegen Ihren blinden Eifer. Noch besser einen Maulkorb.«
    Pierre Robin grinste. »Also soll etwas vertuscht werden, was offiziell nicht in den Akten erscheinen darf, wie? Und wer soll inoffiziell daran arbeiten?«
    »Nichts wird vertuscht«, sagte Barin unbehaglich. »Doktor Mathieu ergeht sich nur in Spekulationen. Das Wesentliche lesen Sie in seinem Obduktionsbericht.«
    »Ich habe den Toten gesehen«, sagte Robin. »Spuren von zehn Zentimeter langen Zähnen zeichnen sich an den Verletzungen ab, und es ist kein Blut geflossen, wenigstens nicht am Fundort des Leichnams. Mein Verdacht stimmt also - sonst hätte ich Sie beide außerdem nicht genau hier über ein paar Schnäpsen gefunden. Hören Sie, Barin. Wir müssen uns dahinterklemmen. Auch wenn’s keinen aktenfähigen Täter gibt, gibt es die Möglichkeit, weitere Taten dieser Art zu verhindern. Das muß nicht offiziell über den Schreibtisch laufen. Es gibt Dinge, die…«
    »Ich weiß«, unterbrach ihn der Staatsanwalt. »Dinge, die unsere Schulweisheit nicht kennt. Übersinnliches, das existiert und sich den Teufel darum schert, ob wir es wahrhaben wollen oder nicht. Da war doch die Sache mit der Furie im vergangenen Jahr.« [2]
    Pierre Robin nickte. »Wo Sie’s gerade ansprechen, Barin… ich glaube, hier liegt etwas Ähnliches vor. Ähnlich, wohlgemerkt, nicht gleich.«
    Barin schüttelte sich. »Ich kenne Ihre Akte. Offiziell ungeklärt,
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