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0497 - Die Fledermenschen

0497 - Die Fledermenschen

Titel: 0497 - Die Fledermenschen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Menschen aus der Vergangenheit. Im Jahr 1673 waren sie in die Gegenwart verschlagen worden und fanden nicht mehr den Weg durch den Zeitstrom zurück: Don Cristofero Fuego del Zamora y Montego, der dem spanischen Zweig von Professor Zamorras Vorfahren entstammte und am Hof des französischen Sonnenkönigs ein und aus gegangen war, und Cristoferos Diener, der zauberkundige, kohlrabenschwarze namenlose Gnom. Don Cristofero hatte seinem Bekunden nach noch Rhoy Saris ap Llewellyn gekannt, Bryonts frühere Inkarnation von 1464 bis 1728. Aber nicht sonderlich gut; Spanien und Frankreich auf der einen, und England und Schottland auf der anderen Seite waren sich nicht besonders grün gewesen. Indessen kam Don Cristofero, für den jene Vergangenheit erst ein paar Wochen oder Monate zurücklag, gut mit Sir Bryont aus - er mochte die Engländer absolut nicht, wußte aber, daß Engländer und Schotten zwar auf derselben Insel lebten, sich aber zumindest damals spinnefeind gewesen waren - was auch ihr gegenwärtiges Verhältnis noch belastete. Daß Sir Bryont ausgerechnet einen Parlamentssitz im britischem Oberhaus in London innehatte, verzieh Don Cristofero ihm großmütig; er ging davon aus, daß Sir Bryont den englischen Politikern als eine Art trojanisches Pferd zu schaffen machte.
    Der Lord ließ ihn in diesem Glauben. Und schon bald würde das ohnehin keine Rolle mehr spielen.
    Deshalb hatte er sich auch, obwohl mit immer stärker werdendem Zähneknirschen, bislang damit abgefunden, daß in locker abwechselnder Folge Don Cristofero oder der namenlose Gnom für Unruhe bis Chaos sorgten. Der spanische Grande durch sein archaisch-arrogant-aristokratisches Auftreten, der Gnom durch seine magischen Experimente. Nach wie vor versuchte der Kleine, einen Rückweg ins Jahr 1673 zu finden, nach wie vor versuchte er auch, Gold für seinen Herrn zu machen. Darüber hinaus war er überaus naschhaft und allen Süßigkeiten lebhaft zugetan. Das ging zwar nicht so weit, daß er seine Loyalität hinter seine Naschhaftigkeit stellte, aber wenn er eine Tafel Schokolade, ein Stück Zucker oder eine Handvoll Bonbons erheischen konnte, ließ er so gut wie alle andere liegen und stehen.
    Die beiden Gäste brachten Leben ins Haus - für Bryonts Begriffe zuweilen zuviel Leben. Anfangs in Professor Zamorras Château Montagne an der Loire einquartiert, hätten sie fast ein ernsthaftes Zerwürfnis zwischen Zamorra und seiner Gefährtin Nicole Duval hervorgerufen, der vor allem die Arroganz des Grande auf die Nerven ging. Nicole hatte sich schlichtweg geweigert, auch nur eine Minute länger in Gesellschaft des Zamorraschen Quasi-Ahnherrn zuzubringen. Daraufhin hatte Zamorra Cristofero & Co vorübergehend seinem Freund, dem Earl of Pembroke, angedient, der in seinem Gespenster-Asyl ohnehin eine Reihe schrulliger Geister beherbergte; indessen hatte der Earl Don Cristofero alsbald zutiefst erzürnt vor die Tür bzw. ins Flugzeug nach Frankreich gesetzt.
    Nun hatte Sir Bryont den Don und seinen Zauber-Gnom aufgenommen, bereute diese Entscheidung mittlerweile aber längst. Doch erstens wollte er Zamorra nicht vor ein neuerliches Problem stellen, indem er Cristofero hinauswarf, und zum anderen wußte er, daß er selbst ohnehin nur noch kurze Zeit zu leben hatte. Warum sollte er sich noch aufregen? Zumal ausgerechnet Patricia mit dieser fossilen Aristokratengestalt passabel zurechtkam und sich an dessen Eigenheiten eher erfreute, statt sich darüber zu ärgern.
    Trotzdem hoffte Bryont inständig, daß der Gnom es baldmöglichst schaffte, eine Rückkehrmöglichkeit für seinen Herrn und sich ins Jahr 1673 zu finden. Denn, bei allem Fatalismus einem ohnehin unabänderlichen Schicksal gegenüber - wenigstens ein paar ruhige Tage hätte der Lord doch noch gern verlebt…
    ***
    Sir Bryont saß am- knisternden Kaminfeuer. Manchmal zog es ihn hierher. Die Wände verschwanden hinter gutgefüllten Bücherregalen; so mancher Buchrücken und auch so manche Schnittkante der älteren Werke waren von einem hauchdünnen Rußfilm überzogen, der sich bei längerem Blättern und Lesen auf die Finger übertrug; es gab Tage, an denen der Kamin nicht richtig zog und seine Qualmrückstände daher im Lesezimmer niederschlagen ließ. Wo keine Bücher standen, hingen Bilder, neuerdings auch zwei, die Patricia selbst gezeichnet hatte. Saris betrachtete sie und grübelte darüber nach, was das für eine Frau sein mochte, die ihre ganze Zukunft ihm, dem Sterbenden, opferte. Wie
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