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0497 - Die Fledermenschen

0497 - Die Fledermenschen

Titel: 0497 - Die Fledermenschen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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draußen gewesen, ohne daß ihr Mann und Butler William es wußten. Und nichts war passiert. Sie hatte es innerhalb der Burgmauern einfach nicht mehr ausgehalten. Sie hatte mal wieder etwas anderes sehen müssen, und sie war heil und unversehrt zurückgekehrt. Ein Grund mehr, die Sicherheitsmaßnahmen für übertrieben zu halten.
    Aber davon verriet sie Sir Bryont nichts. Er würde sich nur noch mehr Sorgen um sie machen und sie möglicherweise sogar einsperren - und das nicht einmal böse meinen, sondern es lediglich aus Sorge und Liebe tun. Aus Liebe zu ihr, aus Liebe zu seinem ungeborenen Sohn, und nicht zuletzt aus Liebe zu sich selbst! Patricia trug gleich in mehrfacher Hinsicht seine Hoffnungen unter ihrem Herzen.
    Und sie liebte ihn und vertraute ihm. Die Vorstellung war ihr schwergefallen, ihn als liebenden Mann zu verlieren, wenn sie ihm den Sohn gebar. Aber sie wußte, daß er in diesem Sohn weiterleben würde, und das half ihr. Eines Tages würde seine Erinnerung aufbrechen, und dann konnte es - fast - wie früher sein; mit Ausnahme sexueller Kontakte, die sich schlichtweg verboten. Aber Patricia hatte schon längst begriffen, daß Liebe sich nicht unbedingt auf Sex aufbauen muß.
    Bryont war von Anfang an ehrlich zu ihr gewesen. Er hatte ihr gesagt, was sie erwartete. Zuerst hatte sie es für einen Scherz gehalten, aber er hatte ihr die verwitterten Grabsteine auf dem winzigen Privatfriedhof der Llewellyns gezeigt, soweit sie überhaupt noch standen, und er hatte ihr Einblick in die alten und uralten, teilweise schon zerfallenen Kirchenbücher verschafft, in denen Geburten und Sterbefälle verzeichnet waren. Da hatte sie begonnen, es zu glauben.
    »Ich bin nicht der einzige Langlebige«, hatte er ihr verraten. »Es gibt viele auf der Welt, vielleicht mehr, als wir ahnen. Sie mögen nicht unbedingt in der gleichen Art wie ich leben, sterben und wiedergeboren werden. Viele von ihnen leben vielleicht kontinuierlich im gleichen Körper. Aber die meisten wechseln alle zwanzig bis vierzig Jahre ihre Identität, damit niemand auffällt, daß sie nicht mehr altern. In früheren Jahrhunderten war das relativ einfach. Wer fragte schon nach einem Paß? Heute wird es immer schwieriger. Ich dagegen hatte diese Probleme nie. Diese Gegend ist Llewellyn-Land. Die Menschen wissen, daß die Llewellyns länger leben als jeder andere. Sie akzeptieren es; ich brauchte mich, sofern meine Erinnerung nicht falsch ist, nie zu tarnen oder zu verstecken oder sie zu belügen.«
    Sie hatte ihn auf den Film »Highlander« angesprochen. »Ein schottischer Adliger aus den Highlands, ein Unsterblicher wie du, Bryont. Und doch nur ein Film. Solltest du zur Vorlage dafür geworden sein?«
    »Eher ein Zufall«, sagte er. »Wie schon erwähnt - es gibt viele Langlebige. Die Silbermond-Druiden Gryf ap Llandrysgryf und Teri Rheken. Gryf ist über achttausend Jahre alt und sieht immer noch aus wie ein Zwanzigjähriger. Professor Zamorra und seine Gefährtin gehören auch zu denen, die nicht mehr altern. Dabei sind sie wirklich noch jung; sie sind erst am unbedeutenden Anfang. Wenn niemand sie tötet, können sie Tausende von Jahren alt werden. Aber sie werden nie ihre Körper wechseln, und vielleicht ist das eher ein Fluch als eine Gnade. Vielleicht habe ich beiden damals keinen Gefallen getan, als ich sie zur Quelle des Lebens führte…« [1]
    Patricia hatte mehr darüber wissen wollen. Aber der Lord war nie konkret geworden. Es war, als sei es ihm unangenehm, diese Sache überhaupt angesprochen zu haben. Aber manchmal träumte Patricia, er würde vielleicht auch sie zu dieser Quelle führen, oder sie könnte Zamorra darum bitten. Allein, um danach selbst als Langlebige für eine Ewigkeit an Bryonts - bzw. seines »Sohnes« - Seite leben zu können.
    Aber dieser Wunschtraum war sicher unerfüllbar. Und vielleicht wollte sie es auch nicht einmal wirklich. Sie fand viel Zeit zum Nachdenken. Was sollte sie sonst tun? Sich vom Fernsehprogramm verdummen lassen? Auch die alten Bücher in Bryonts umfangreicher Bibliothek sagten ihr nichts, und jene, an denen sie wirklich interessiert war, hatte sie längst gelesen. Und obwohl ihr die Zeit oft lang wurde, fürchtete sie doch den entscheidenden Tag, der erschreckend schnell heranrückte, der Tag, an dem alles anders werden würde.
    In den letzten Wochen schien es in ihrem »Gefängnis« ein wenig heller geworden zu sein. Auf Zamorras Bitte hatte Sir Bryont zwei eigenartige Menschen aufgenommen.
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