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0491 - Die Wolfshexe

0491 - Die Wolfshexe

Titel: 0491 - Die Wolfshexe
Autoren: Werner Kurt Giesa
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sich ein. »Wölfe! Hörst du sie wirklich nicht? Dann mußt du doch mal zum Ohrenarzt!«
    Diesen Besuch schob Hervé aber schon seit dreißig Jahren vor sich her. Er war kerngesund, hatte noch nie einen Arzt gebraucht und würde auch künftig keinen brauchen. Ja, wo kämen wir denn da hin? Schließlich gab’s hier das urgesunde Seeklima. Sicher, manchmal roch es ein bißchen nach Öl, aber so oft wurde das nun auch nicht an der Küste angeschwemmt. Schließlich brach ja nicht alle Tage ein Öltanker im Ärmelkanal auseinander und wenn, dann ging die Strömung vorwiegend in die andere Richtung. Ja, früher, da war das alles anders gewesen. Da hatten die Stürme öfters ein Schiff an den Strand geschmettert, und nicht nur hier, sondern an der ganzen Küste hatte man zuweilen recht gut vom Plündern leben können. Aber das lag alles hundert und mehr Jahre zurück.
    »Ich habe hier noch nie Wölfe gehört«, wehrte Hervé ab. »Woher sollten die auch kommen? Hier gibt es keine Wölfe, hier hat es noch nie Wölfe gegeben und hier wird es auch in fernster Zukunft keine Wölfe geben. Ihr seid doch alle verrückt! In Europa ist der letzte Wolf schon, vor -zig Jahren abgeschossen worden.«
    »Dann kauf dir ein Hörgerät«, empfahl Cinan.
    »Ich kann dir auch die Spuren zeigen«, bot Yann-Daq an. »Ich wollte es ja zuerst auch nicht glauben. Aber ich habe die Fährten gesehen. Komm mit raus, dann zeige ich sie dir.«
    »Du kannst mir viel zeigen, wenn der Tag lang ist«, protestierte Hervé. »Woher soll ich wissen, wie eine Wolfsfährte aussieht? Vielleicht zeigst du mir, wo ein Karnickel langgehoppelt ist.«
    »Wie ’ne Wolfsfährte aussieht, findest du in jedem Lexikon abgebildet«, sagte Cinan.
    »Lexikon? So’n neumodisches Zeugs habe ich nicht. Braucht ja auch kein Mensch. Ihr wollt mich bloß auf den Arm nehmen. Wenn’s hier wirklich Wölfe gibt, dann heirate ich ein Krokodil.«
    »Bestell schon mal das Aufgebot«, empfahl Yann-Daq trocken.
    »Du, Yann-Daq, das gibt ein Problem«, wandte Lenard Cinan ein. »Der Pfarrer wird sich weigern, die Trauung vorzunehmen. Krokodile sind bekanntlich nicht katholisch!«
    »Woher willst du das denn wissen?« staunte Yann-Daq.
    »Na, ich bin doch mal für ein halbes Jahr in Ägypten gewesen. Da gibt’s jede Menge Krokodile, aber ich habe nicht eines getroffen, das katholisch war«, versicherte Cinan ernsthaft.
    »Na gut, dann muß. Hervé eben auf die kirchliche Trauung verzichten. Dann läuft es nur übers Standesamt. Aber da ist noch ein Problem. Da müssen doch Formulare ausgefüllt werden. Glaubst du, Krokodile können schreiben?«
    Lenard Cinan zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung.«
    »Aber du warst doch in Ägypten, du mußt das also wissen«, beharrte Poulder.
    »Wieso ich? Wieso eigentlich immer ich?« protestierte Cinan. »Woher soll ich wissen, ob Krokodile schreiben können oder nicht? Mir hat noch keines ’nen Liebesbrief geschrieben! Aber frag doch Hervé, der hat vielleicht schon mal einen gekriegt. Sonst würde er doch kein Krokodil heiraten wollen!«
    »Wollt ihr mich verarschen?« brüllte Hervé los. »Ihr kriegt gleich dermaßen was auf die Zwiebel, daß ihr hinterher durch die Rippen guckt, wie der Affe im Zoo durchs Gitter!«
    Cinan winkte ab. »Ach, das bringst du treue Seele doch gar nicht übers Herz. Du erschlägst doch nicht deine besten Stammkunden!«
    Der Wirt seufzte. »Ihr Gauner findet aber auch immer wieder einen Weg, euer Leben zu retten«, murrte er. Vorsichtig griff er nach einer der Patronen und betrachtete die Kugelspitze. »He, sag mal, Yann-Daq, habe ich was mit den Augen, oder ist bei dir der Reichtum ausgebroçjien? Das sieht ja wie Silber aus.«
    »Das ist auch Silber«, sagte Poulder.
    »Du mußt verrückt sein«, erwiderte der Wirt. »Silberkugeln! So ein Unsinn. Normales Blei tut’s doch viel besser.«
    Poulder nickte.
    »Normalerweise, ja. Aber nicht bei den Wölfen, hinter denen ich her bin…«
    ***
    Professor Zamorra ließ sich in den Sessel hinter seinem leicht geschwungenen Arbeitstisch sinken. Der Blick durchs Fenster konnte ihn nicht aufmuntern. Draußen regnete es immer noch in Strömen, und das Loire-Tal, über das er von hier aus einen so prachtvollen Ausblick hatte, zeigte sich ihm grau in grau mit tiefhängenden, dunklen Wolken.
    In den schottischen Highlands war es wenigstens nur kalt gewesen, mit ein paar abtauenden Schneeresten. Hier aber war es kalt und regnerisch.
    Seit einer Stunde befand Zamorra sich
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