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0491 - Die Wolfshexe

0491 - Die Wolfshexe

Titel: 0491 - Die Wolfshexe
Autoren: Werner Kurt Giesa
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wieder im Château Montagne; Raffael Bois, der alte treue Diener und gute Geist des Hauses, hatte ihn mit dem BMW vom Flughafen Lyon abgeholt. Diese eine Stunde hatte gereicht, den Koffer umzustülpen und den Inhalt erst einmal großzügig zu vergessen, sich unter die Dusche zu stellen und frisch einzukleiden. Dazu ein Glas Rotwein, das die Lebensgeister wieder etwas aufmunterte.
    Zamorra schaltete das Computerterminal ein, wählte Telefon-Modus und rief per Tastendruck Ted Ewigks Anschluß in Rom ab. Auf dem Monitor erschien die Zahlenkolonne und der Schriftzug »bitte warten«. Das Freizeichen summte. Zamorra brauchte den Telefonhörer nicht abzunehmen, um das rechnervermittelte Gespräch zu führen.
    Die Verbindung kam ohne größere Wartezeit zustande; in den letzten Jahren hatten Franzosen und Italiener eine Menge getan, um die Kapazitäten ihrer Telefonnetze zu verbessern. Aber dann dauerte es fast fünf Minuten, bis sich in Ted Ewigks Villa jemand bemühte, an den Apparat zu gehen.
    »Tut mir leid, aber man kann eine Partie nicht so einfach unterbrechen, Zamorra«, erklärte Ted Ewigk hörbar seufzend. »Ich hatte gerade ein so saugutes Blatt. Willst du mit Nicole reden?«
    »Frohe Botschaft«, sagte Zamorra. »Don Cristofero ist vorerst in Schottland geblieben! Sie kann also jederzeit wieder hierher zurückkehren.«
    »Ich werd’s ihr ausrichten. Moment mal…«
    In der Villa mußte Nicole Duval dem Reporter den Hörer aus der Hand gerissen haben, denn jetzt ertönte ihre Stimme. »Cheri? Vielleicht solltest du mit einem leeren Koffer herkommen. Sonst schaffe ich es nicht, den ganzen Kram allein zu transportieren.«
    »Zweibeiniges Ungeheuer!« glaubte Zamorra im Hintergrund die Stimme von Teds Freundin Carlotta zu hören. »He, die meint das doch wohl nicht ernst?«
    »Meine süße Nici, wenn du das nächste Mal sämtliche Boutiquen der Via Veneto leerkaufst, solltest du gleich einen Lastwagen mitbestellen«, schlug Zamorra vor, der Nicoles Einkaufsorgien kannte und fürchtete. Nach einer Zeit der relativen Ruhe prägte sich ihr Modetick neuerdings wieder stärker aus. Dabei trug sie die Kleider, die sie ständig einkaufte, höchstens drei- oder viermal!
    »Lastwagen waren gerade ausverkauft, außerdem habe ich so viel gar nicht besorgt. Aber sei so lieb und bring trotzdem einen Koffer mit, ja?«
    »Ich werde ihr Gift in den Kaffee schütten«, vernahm Zamorra wieder Carlotta im Hintergrund. »Wundere dich aber besser über gar nichts, Zamorra«, flötete Nicole laut und legte auf.
    »Also gut, ich wundere mich über gar nichts«, brummte Zamorra und schaltete den Telefon-Modus wieder ab. Er rief den Aktuell-Speicher ab, aber der Monitor zeigte nur eine einzige Notiz. Die kam von Pascal Lafitte, dem jungen Burschen aus dem Dorf unterhalb des Châteaus, der für Zamorra internationale Zeitungen nach Berichten über gewöhnliche Vorfälle durchsiebte. Wölfe an der bretonischen Küste. Zweispalter ohne Foto, sagte die Notiz mit einem Querverweis auf veröffentlichende Zeitung und Erscheinungsdatum sowie dem Stichwort, unter dem dieser Artikel bereits abgespeichert worden war. Offenbar hatte Pascal Lafitte den Text direkt in Zamorras Computer eingegeben. Mit sämtlichen Druckfehlern, die auch das Original aufwies.
    »Der Junge macht sich«, murmelte Zamorra- erfreut. »So was spart ja enorm Arbeit ein. Sollte Pascal mit Frau und fast zwei Kindern immer noch nicht ausgelastet sein?«
    Er überflog den Zeitungstext auf dem Monitor. Danach sollten am bretonischen Küstenzipfel nördlich von Brest Wölfe gesehen worden sein. Zamorra war nicht sicher, ob dieser Artikel wirklich ernst zu nehmen war. Freilebende Wölfe gab es in diesem Teil Europas schon seit einer kleinen Ewigkeit nicht mehr; der einzige, von dem Zamorra mit Sicherheit wußte, war Fenrir, der telepathisch begabte, alte sibirische Wolf mit annähernd menschlicher Intelligenz. Fenrir hatte sich gar nicht weit von Château Montagne bei einer recht einsiedlerisch wohnenden Frau namens Naomi Varese eingenistet. Der Wolf hatte Naomi von einem alten Fluch befreit, dem um ein Haar selbst Zamorra zum Opfer gefallen wäre. Der Dämonenjäger konnte sich nicht vorstellen, daß Fenrir zu dieser kalten Jahreszeit sein sicheres Quartier wieder verlassen hatte, um ausgerechnet in der Bretagne herumzustrolchen - und selbst dann wäre es eine maßlose Übertreibung gewesen, aus dem einzelnen Wolf ein ganzes Rudel zu machen.
    »Naomi Varese«, sagte Zamorra leise.
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