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0485 - Die Furie

0485 - Die Furie

Titel: 0485 - Die Furie
Autoren: Werner Kurt Giesa
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[1] Jetzt aber genoß er zunächst einmal die Ruhe. Schreibtischarbeit wartete auch nur wenig; Die Korrespondenz hielt sich momentan in Grenzen. Als das Telefon schrillte, zuckte Zamorra regelrecht zusammen. Mit einem erneuten Doppelschnipsen ließ er das Panoramafenster sich wieder schließen und nahm das Gespräch entgegen.
    Pascal Lafitte war am Apparat, der junge Mann aus dem Dorf unten an der Loire, der für Zamorra in seiner Freizeit Zeitungsberichte über ungewöhnliche oder gar übersinnliche Erscheinungen vorsortierte. »Ich hab’s doch geahnt, daß ihr wieder zu Hause seid, Professor«, sagte er. »Ich meinte doch, gestern den Cadillac gesehen zu haben, und euer Diener traut sich doch nur im Notfall, dieses Riesending zu fahren. Zamorra, in Lyon gastiert ab morgen ein Zauberer, der sich ›Merlin‹ nennt. Nadine und ich wollen hin. Ihr auch? Wir könnten uns die Show zusammen ansehen.«
    Zamorra lächelte. »Meinst du nicht, daß euer Kind noch etwas zu klein dafür ist? Ich habe die Plakate auch gesehen. Das muß eine Wahnsinns-Show sein, die ein so kleines Wesen vermutlich noch gar nicht verarbeiten kann.«
    »Den Kleinen lassen wir ja auch hier. Meine Schwiegereltern wollen ihn ohnehin schon lange mal wieder so richtig verziehen und verhätscheln. Aber Nadine möchte gern hin.«
    »In Ordnung«, sagte Zamorra. »Kommt ihr zu uns oder wir zu euch?«
    »Ihr kommt zu uns«, sagte Lafitte. »Ihr müßt ja sowieso ins Dorf hinunter. Eine Straße über den Berg gibt’s ja Gott sei Dank immer noch nicht. Wann dürfen wir mit eurem Eintreffen rechnen? Hoffentlich regnet’s morgen bloß nicht wieder so wie jetzt.«
    Zamorra schüttelte den Kopf. »Pascal, du solltest froh sein, daß es überhaupt regnet. Ich sehne mich derzeit nach jedem Tropfen. Wir kommen gegen halb sechs. Eine Stunde bis Lyon, dann haben wir Zeit genug, einen Parkplatz zu finden. Habt ihr schon Karten? Nein? Nicole ordert sie dann gleich noch telefonisch für euch mit. Bis morgen, und grüße Nadine und beide Kinder von Nicole und mir.«
    »Das zweite kriegt den Gruß doch noch gar nicht mit«, behauptete Lafitte.
    Zamorra grinste. »Kinder sollen auch im Mutterleib schon über beachtliche Sinneswahrnehmungen verfügen, sagt die neue Medizin«, erwiderte er. »Bis morgen dann!«
    Er freute sich schon darauf, mal wieder ein paar schöne Stunden mit Nadine und Pascal erleben zu können. Man sah sich einfach viel zu selten in der letzten Zeit.
    ***
    Phil Textor verzog angewidert das Gesicht. »Du riechst wieder nach Blut«, sagte er.
    Das Mädchen mit dem weißblonden, wehenden Haar lachte spöttisch. »Hast du dich immer noch nicht daran gewöhnt, Tex?«
    »Es kann so nicht weitergehen«, sagte er schroff und wandte ihr den Rücken zu. Er ging zum Tisch hinüber und füllte das Glas mit Scotch auf. Zum zweitenmal schon innerhalb kurzer Zeit. Der Alkohol brannte in ihm, als er den mittlerweile gewohnt großen Schluck nahm.
    »Du hattest mittlerweile mehr als 25 Jahre Zeit, dich daran zu gewöhnen, Tex«, fuhr die weißblonde Lucy fort. »Aber das einzige, was dir gelungen ist, ist, dich in einen aufgedunsenen Alkoholiker zu verwandeln, der eigentlich gar nichts mehr auf der Bühne zu suchen hätte.«
    Er fuhr herum.
    »Du bist eine verfluchte Bestie«, stieß er hervor.
    »Ich liebe es, wenn du fluchst«, zwitscherte Lucy.
    Lucy! Er hatte von Anfang an gewußt, wofür dieser Name stand. Lucifer! Sie war eine Botin der Hölle. Sie ermöglichte es ihm, immer wieder seine fantastische, große Show abzuziehen, für die er bewundert wurde. Sie war ein Teil des Paktes, den er einst eingegangen war. Sie war der Tod, der ihm immer näher rückte.
    »Ich sehe deine Gedanken«, sagte Lucy vergnügt. »Du möchtest aufhören. Du möchtest endlich den Mut finden, zur Polizei zu gehen und mich auffliegen zu lassen. Aber du weißt genau, daß man dich auslachen würde, Tex. Auslachen, hörst du? Etwas wie mich gibt es gar nicht. Vielleicht würden sie sogar dich selbst verdächtigen und in eine Heilanstalt sperren.«
    Sie lachte.
    Phil Textor fühlte, wie seine Hände zitterten. Er war reich geworden. Er besaß genug Geld, sich notfalls auch Gutachter, Polizisten und vielleicht sogar Staatsanwälte und Richter zu kaufen. Aber er wußte, daß ihm das alles nichts half. Wofür scheffelte er seine Millionen? Er würde sie nicht mit ins Grab nehmen können. In das Grab mit dem schwarzen, zerbröckelnden Kreuz, das er in den letzten Monaten immer öfter in
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