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0485 - Die Furie

0485 - Die Furie

Titel: 0485 - Die Furie
Autoren: Werner Kurt Giesa
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paar Schritte weiter und halb auf den breiten Gehsteig. Abermals wies sie auf das Plakat, das großformatig auf ›MISTER MERLINS MAGIC-SHOW‹ hinwies. Überlebensgroß lachte ein farbenprächtig kostümierter Zauberer die Betrachter an; reißerische Schlagworte sowie Ort und Datum der Veranstaltung waren in Leuchtbuchstaben ausgedruckt.
    »Mister Merlin«, seufzte Zamorra. »Warum nicht Monsieur Merlin? Schließlich hat der alte Knabe bekanntlich nicht nur in England König Artus geholfen, sondern auch in Frankreich seinen Zauberwald gehabt.«
    »Korrektur: Brocéliande liegt in der Bretagne. Für die Bretonen ist die Bretagne nicht Frankreich«, warf Nicole schmunzelnd ein. »Was hältst du davon, wenn wir uns mal von diesem Zauberer verzaubern lassen? Ich würde doch zu gerne mal wissen, ob dieser Mister Merlin ähnlich begabt ist wie unser Freund Merlin, dessen Namen er sich einfach angeeignet hat.«
    Zamorra nickte.
    »Nichts dagegen einzuwenden«, sagte er. »Ein bißchen Entspannung haben wir uns verdient. Und warum sollen wir Magie nicht einmal von dieser Seite kennenlernen? Es ist zwar alles nur Illusion, aber trotzdem!«
    »Also gut. Dann brauche ich aber noch unbedingt etwas zum Anziehen«, behauptete Nicole. »Weißt du was? Wir fahren ins nächste Parkhaus und machen einen Einkaufsbummel. Zeit haben wir schließlich noch genug.«
    »In der Tat«, seufzte Zamorra verzweifelt. »Die Vorstellungspremiere ist erst in zwei Tagen!«
    Nicole strahlte übers ganze Gesicht. »Eben deshalb! Um so mehr Zeit habe ich…«
    »… mit unübertrefflicher Sicherheit das Teuerste auszusuchen«, brummte Zamorra. »Aber da du am Lenkrad sitzt, wird sich diese Aktion wohl kaum umgehen lassen…«
    Mister Merlin’s Magic Show, die Sensation aus USA, hieß der Slogan auf dem Plakat. Zamorra war gespannt darauf, was dieser ›Mister Merlin‹ zu bieten hatte.
    ***
    Zwanzigtausend US-Dollar für drei Vorstellungen! Und dabei glaubte der Veranstalter noch ein Bombengeschäft zu machen, weil der Dollar derzeit im Tiefkeller stand. Phil Textor störte es nicht. Wenn er sich in französischer Währung auszahlen ließe, würde er zwar effektiv mehr Geld bekommen, aber - was sollte er damit anfangen? Er hatte genug. Zwischen zwei und drei Millionen im Jahr kamen herein. Und das seit einem Vierteljahrhundert oder mehr. Selbst wenn er sich heute von einem Tag zum anderen zur Ruhe setzen und keinen Cent mehr hinzuverdienen würde, hatte er keine Chance, jemals wieder arm zu werden. Das Geld war viel zu sicher angelegt. Textor machte es nicht so wie viele Show- und Musikstars, die Millionenbeträge kassierten und sie verschwendeten, um schon nach ein paar Jahren Sozialhilfe beantragen zu müssen. Er war immer auf dem Teppich geblieben. Er brauchte keine Hundert-Zimmer-Villa in der teuersten Wohnlage. Er brauchte nicht für jeden Tag der Woche einen eigenen Rolls-Royce oder ein eigenes Flugzeug, um mal eben von Los Angeles nach Peking zum Abendessen zu fliegen. Er brauchte auch keine teuren kosmetischen Operationen, durch die er ständig wie ein unreifes, fünfzehnjähriges Neutrum aussah, einen Schimpansen an der einen Hand und Plattenverträge in der anderen.
    Was er brauchte, war eine Bühne und seine wenigen Utensilien. Die gesamte Ausrüstung paßte in einen Kleinbus. Neidische Kollegen wunderten sich immer wieder, wie er mit so wenig Material zurecht kam und schätzten, daß er für seine Bühnenshow wenigstens das Frachtvolumen von vier oder fünf 40-Tonnen-Sattelschleppern benötigte.
    Aber dieses Ladevolumen brauchte er nicht. Er brillierte durch sein Können, das keiner der Kollegen wirklich durchschauen konnte. Denn sie wußten ja nicht, woher es kam. Und er hatte eine Assistentin zur Seite, die ihn bei seiner Arbeit tatkräftig unterstützte.
    Und gerade auf ihre Mithilfe hätte er liebend gern verzichtet.
    Aber sie gehörte zu ihm und seiner Show. Sie begleitete ihn von Anfang an. Seit jenem Moment, in welchem er den Preis zahlte für das Versprechen, er werde reich und berühmt werden.
    Er war reich und berühmt geworden. Und er träumte davon, einfach aufzuhören. Nicht mehr weiterzumachen. Er hatte alles erreicht, was er erreichen wollte. Was konnte noch folgen?
    Er wußte es, und er fror bei dem Gedanken daran.
    Ein frischer Erdhügel. Blumen, die verdorrten. Ein schwarzes Holzkreuz, das zerbröckelte, kaum daß es in den Grabhügel gesteckt worden war. Phil Textor. Ruhe in Frieden.
    Ruhe?
    Das war das einzige, was er
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