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0473 - Botin des Unheils

0473 - Botin des Unheils

Titel: 0473 - Botin des Unheils
Autoren: Werner Kurt Giesa
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hatte, daß Menschen unter Zwang niemals so reagieren, wie man es erwartet. Vor allem verletzten Zwang; er kann sogar töten. Und Julian wollte Angelique doch nicht verletzen! Er wollte mit ihr zusammen sein und mit ihr lachen und weinen. Er wollte sie zur Freundin, nicht zur geheimen Feindin, die nur darauf wartete, daß er sich eine Blöße gab, um ihrerseits ihn zu verletzen. Er wünschte sich Harmonie. Die aber hatte sich noch nie zwingen lassen, sondern mußte von sich aus aus dem Inneren heraus kommen.
    Er hatte nicht befohlen. Er hatte nur gebeten, hatte nur eine einzige Frage gestellt.
    Mehr nicht.
    Und Angelique war mit ihm gekommen. Hatte das Großstadtleben gegen die völlige Einsamkeit vertauscht.
    Viel tiefer am Berg lag das Kloster.
    Vor einiger Zeit war Julian dorthin gegangen. Er hatte den Lama gebeten, ihm zu helfen, sich selbst zu erkennen.
    Doch der Lama hatte ihm diese Hilfe verweigert. Mit geschlossenen Augen hatte er vor Julian gesessen und Wahrheiten ausgesprochen, die dem Jungen gar nicht so recht gefallen hatten, weil sie ihn tief in seinem Inneren trafen. »Ich sehe in dir ein Geschöpf voller ungezähmter Macht. Du bist eine Gefahr für jeden, solange du diese Kraft nicht in Schranken bindest. Du bist jünger, als du scheinst. Du hast sehr schnell gelebt. Du lebst immer noch schnell. Nicht körperlich, sondern im Geist. Dein physisches Wachstum hat aufgehört. Doch du hast nicht gelernt, auch deinen Geist zu stoppen. Darum ist der Tod dein bester Freund.«
    Aber Julian wollte den Tod nicht als seinen besten Freund kennen!
    Deshalb hatte er den Lama abermals gebeten, ihm zu helfen und ihn Geduld und Selbsterkenntnis zu lehren. Abermals hatte der tibetische Mönch ihm diese Hilfe verweigert, ihn einen Egoisten genannt und ihm vorgeworfen, sich seiner Verantwortung entziehen zu wollen. Später erkannte Julian, daß damit nicht die Verantwortung als magisches Wesen für das Weltengefüge gemeint war, sondern lediglich die Verantwortung, die er übernommen hatte, als er Angelique mit sich hierher holte. Sie war es, um die er sich zu kümmern hatte, damit sie an ihrer Liebe zu ihm nicht zerbrach und in der Einsamkeit und Hilflosigkeit zugrunde ging. Daran hatte Julian nicht gedacht als er die Hütte verließ und das Kloster aufsuchte, um dort zu lernen - er wäre vielleicht viele Jahre hier geblieben und Angelique…?
    Julian hatte aber auch aus eigenem Überlegen noch etwas erkannt: Die Mönche in dem buddhistischen Kloster konnten ihn deshalb nichts lehren, weil er als magisches Wesen in völlig anderen Bahnen dachte als sie. Er setzte ganz andere Wertmaßstäbe, die dabei für ihn unveränderlich sein mußten, und diese Maßstäbe und die der Mönche waren gegensätzlich, obgleich sie andererseits alles miteinander gemein hatten! Dennoch paßten sie nicht zueinander!
    »Lerne Geduld, lerne langsamer zu leben«, hat der Lama ihm geraten.
    Und das versuchte er jetzt aus eigener Kraft, aus seinem eigenen Denken und Erleben heraus, und Hilfe bekam er ausgerechnet von dem Menschen, dem er diese Hilfe nicht einmal abgefordert hatte: Angelique!
    Julian wuchs jetzt.
    Nicht mehr körperlich und auch nicht mehr geistig. Es war seine Seele, die wachsen lernte, weil Angelique ihm zeigte, was es bedeutete, zu leben und zu lieben und nicht nur das Universum durch Träume, die Wirklichkeit wurden, unter Kontrolle zwingen zu wollen.
    Aber er lebte und lachte und lernte und wuchs nicht für sich allein, sondern er vergaß darüber auch nicht mehr, daß es neben ihm noch Angelique gab und daß sie ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche hatte und nicht nur bei ihm war, um ihm zu helfen und in zärtlichwilder Harmonie mit ihm zusammenzusein. Er erkannte sie als eigenständiges Wesen, das niemals sein Geschöpf hatte sein können und es auch niemals sein würde. Sie gehörte nicht zu seinen Träumen. Sie war jemand, um den er jede Stunde erneut kämpfen mußte und wollte.
    Er schuf bessere Lebensbedingungen.
    Keinen Luxus. Aber den war Angelique ohnehin nicht gewohnt, die mit zwei älteren Brüdern in einer Kellerwohnung in den Slums von Baton Rouge gehaust hatte. Aber aus der Wohnhöhle war mittlerweile ein massives Blockhaus geworden, das besser warmzuhalten war und dessen Eingang nicht zuweilen von Schneemassen versperrt war, die von höheren Hanglagen heruntergerutscht waren.
    Und jetzt saß er wieder einmal für Stunden draußen und meditierte. Manchmal tat er es in der Hütte, die er mit eigenen Händen
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