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0449 - Der Tod im Mädchen-Pensionat

0449 - Der Tod im Mädchen-Pensionat

Titel: 0449 - Der Tod im Mädchen-Pensionat
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ich. »Typ E, 265 PS, Viertakt-Sechszylinder in Reihe. Okay?«
    Er schob die Unterlippe vor und zog einen bewundernden Flunsch.
    »Sin’ Sie’n Börsenjobber?« wollte der Wuschelkopf wissen. Er reichte mir knapp bis zum Gürtel, und daß seine Hände so schwarz waren, lag nicht an seiner braunen Hautfarbe, sondern an der Schuhwichse, die daran klebte.
    »Gehaltsempfänger«, sagte ich. »Und ich weiß manchmal kaum, wie ich die Cents für die Mühle zusammenkratzen soll.«
    Er nickte mit dem Verständnis, das eben nur Männer für die Autoleidenschaft aufbringen können.
    »Kann’s verstehen«, sagte er altklug. »So ’ne Rakete ließ ich mir auch ’n paar Sorgen kosten.«
    Ich fuhr ihm mit der Hand durch den Wuschelkopf und ging auf die Kneipe zu. Offenbar hatte ich die richtige Tonart getroffen. Die Leute machten mir Platz, und die meisten grinsten freundlich. Ich machte keinen Versuch, mich anzubiedern, sondern grinste nur flüchtig zurück.
    Die Bude war gerammelt voll, und ich roch sofort, daß ein paar Burschen hier Marihuana rauchten. Im Augenblick hätten von mir aus die Opiumpfeifen öffentlich herumstehen können. Im Augenblick ging es um nichts weiter als ein achtzehnjähriges Mädchen namens Sue Barrington.
    Die Theke war zwölf Yard lang, machte einen Knick und setzte sich noch einmal auf sechs Yard hin fort. Es standen nur Farbige dran, und der Besitzer war ebenfalls dunkelhäutig. Als sich die Tür mit dem Selbstschließer quietschend hinter mir schloß, starrten ungefähr sechzig Augenpaare auf mich. Ein paar feindlich, die meisten gleichgültig, niemand freundlich. Spannung lag in der Luft, bevor ich einen Schritt von der Tür weg gemacht hatte.
    Ich ging zur Theke und schob mir den Hut aus der Stirn.
    »Einen Whisky, bitte«, sagte ich. »Ohne Soda. Aber mit zwei Eiswürfeln, wenn es geht.«
    Der Wirt hantierte schweigend und schob mir das Glas hin. Ich legte ihm einen halben Dollar auf die Theke.
    »Ich heiße Cotton«, sagte ich in die lähihende Stille hinein. »Jerry Cotton. Jemand hat mich hierher bestellt. Haben Sie eine Ahnung, wer es sein könnte?«
    Er schüttelte den Kopf, ohne mich eines Blickes zu würdigen. Er polierte ein Glas, das so blank war wie geputztes Chrom, aber er hörte nicht auf, es zu polieren.
    »Hat auch niemand für mich angerufen?« fragte ich.
    Wieder das stumme Kopfschütteln. Ich sah auf meine Uhr. Es war noch vier Minuten bis sechs.
    Ich nippte an meinem Whisky.
    Ein Bursche am hintersten Ende der Theke setzte sich in Bewegung. Er war höchstens zwanzig Jahre alt. Mit dem Blick, den er mir gönnte, tasteten die Fachleute in den Schlachthöfen von Chikago das Vieh ab. Er nahm sich Zeit, bevor er mir sagte, was er auf dem Herzen hatte.
    »Im Prinzip ist’s mir egal, Mister, ob einer ’ne helle oder ’ne dunkle Haut hat, aber hier sind wir gern unter uns. Sie verstehen?«
    Ich sah ihm in die Augen, und ich ließ seinen Blick nicht los.
    »Damit fängt’s überall an«, erwiderte ich langsam und ruhig. »Damit, daß sie ,unter sich sein wollen. Ein paar Vernünftige könnten allmählich anfangen, dieses Mistspiel nicht mehr mitzuspielen. Was halten Sie davon?«
    Er wiegte den Kopf hin und her und schielte aus den Augenwinkeln zu mir herüber. Dann lachte er breit, legte mir seine Pranke auf die Schulter und schwenkte ein.
    »Okay, Mister. Nichts für ungut. Bei Ihnen glaube ich’s.«
    Er nickte mir zu und kehrte an seinen Platz zurück. Später hörte ich, daß es Josuah Joss gewesen war, »Double-J«, wie sie ihn nannten, und daß er mit einem Wink seines Daumens Tausende farbiger Mitbürger auf die Straße bringen konnte. An dem Abend wußte ich es noch nicht. Er kümmerte sich nicht mehr um mich, und ich hatte genug mit mir selbst zu tun.
    Sechs Minuten nach sechs klingelte das Telefon in der Kneipe. Der Wirt nahm den Hörer und hielt ihn mir gleich darauf hin.
    »Für Mr. Cotton«, sagte er.
    Es war die gleiche Stimme.
    »Cotton, he?«
    »Nein«, erwiderte ich. »Der Weihnachtsmann. Hören Sie mit diesem kindischen Theater auf. Ich bin hier, ich bin allein, und ich bin ohne Waffen. Also was wollen Sie?«
    »Immer noch der alte, ganz großspurig. Der Präsident der Vereinigten Staaten persönlich. Okay, G-man. Das werden wir noch sehen. In der 74. Straße gibt es einen Drugstore zwischen der zweiten und der dritten Avenue. Beeil dich. In zwanzig Minuten.«
    Ich wartete das leise Knacken im Hörer ab, bevor ich ihn zurückreichte. »Danke«, sagte ich.
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