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044 - Nach eigenen Regeln

044 - Nach eigenen Regeln

Titel: 044 - Nach eigenen Regeln
Autoren: Claudia Kern
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Canyon lag in völliger Dunkelheit. Die Felswände, die sich zu beiden Seiten der Schlucht auftürmten, schluckten das schwache Sternenlicht und warfen das Brüllen der Angreifer tausendfach zurück.
    Matt stolperte über Geröll und zwang sich langsamer zu gehen. Seine Phantasie gaukelte ihm flüchtige Berührungen und plötzlich auftauchende, unsichtbare Hindernisse vor. Mit ausgestrecktem Arm tastete er sich weiter durch den Canyon, das leise Klirren von Aruulas Schwert wie das Tappen eines Blindenstocks neben sich.
    »Ich glaube, sie folgen uns nicht«, sagte sie nach einer Weile.
    Matt drehte den Kopf, ohne in der absoluten Schwärze etwas erkennen zu können.
    »Vielleicht wissen sie etwas, das wir nicht wissen.«
    »Zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel, dass der Canyon eine Sackgasse ist und wir ohnehin zu ihnen zurückkehren müssen.«
    Er hob die Schultern und verzog das Gesicht, als sein Arm zu pochen begann.
    »Oder -«
    »Hörst du das?«, unterbrach ihn Aruula.
    Matt blieb stehen und lauschte einen Moment. Sein Atmen erschien ihm in der Stille unnatürlich laut.
    »Nein«, sagte er dann. »Was sollte ich denn hören?«
    »Unsere Stimmen. Das Echo klingt anders. Ich glaube, der Spalt wird breiter.«
    Matt tastete nach der Wand, die er eben noch neben sich gespürt hatte, fand sie jedoch nicht.
    Wenn die Kluft tatsächlich breiter wurde, war das ein gutes Zeichen dafür, dass sie nicht einfach endete, sondern dass es einen Ausgang gab.
    »Wir sollten uns an die Wände halten, damit wir nicht im Kreis laufen«, sagte er. »Such du nach der rechten, ich nehme die linke.«
    »In Ordnung.«
    Das Klirren von Aruulas Schwert entfernte sich. Matt ging nach links, wartete darauf, mit den Fingerspitzen gegen Stein zu stoßen.
    Die Wand muss doch irgendwo sein, dachte er.
    Und trat ins Leere.
    »… aufwachen, Maddrax. Bitte, wach auf.«
    »Später«, murmelte Matt. Helles Sonnenlicht drang durch seine geschlossenen Augenlider, konnte ihn jedoch nicht zum Aufstehen motivieren. Müdigkeit lastete so schwer auf ihm, als hätte er seit Tagen nicht mehr geschlafen. Er wollte sich zur Seite drehen, um dem Sonnenlicht zu entgehen, aber ein scharfer Schmerz riss ihn in die Wirklichkeit zurück.
    Matt öffnete die Augen.
    Für einen Moment sah er nur einen konturlosen Fleck, dann gewann sein Blick an Schärfe und er erkannte Aruula, die ernst und besorgt auf ihn herab sah.
    »Was ist los?«, fragte er heiser.
    Aruula legte eine Hand auf seine Schulter und zeigte mit der anderen auf den Weg, den sie gekommen sein mussten. Ein Teil davon verlief abschüssig, während der andere über Felsen hinweg anstieg und in einer fast senkrecht abfallenden Klippe abrupt endete.
    Erinnerungsfetzen tauchten in Matts Bewusstsein auf. Ein Schritt, der keinen Boden fand, ein Fall, ein Aufschlag, ein Bersten, das bis in sein Gehirn schoss…
    »Du bist gestürzt«, bestätigte Aruula seine Gedanken. »Dein linkes Bein ist möglicherweise gebrochen.«
    »Was?«
    Reflexartig spannte Matt seine Beinmuskeln an und konnte einen Aufschrei nicht unterdrücken.
    »Nicht möglicherweise«, quetschte er durch die zusammengebissenen Zähne, »definitiv gebrochen. Fuck…«
    Er ließ den Kopf zurück auf den weichen Umhang sinken, den Aruula ihm irgendwann in der Nacht untergeschoben haben musste. Erst jetzt wurde er sich der Schmerzimpulse seines Körpers bewusst. Nicht nur sein Bein, sondern auch die Rippen, sein Kopf und der rechte Arm überboten sich f örmlich in dem Versuch, seine Aufmerksamkeit zu erlangen.
    Wenn ich was vergeige, dachte Matt, dann aber richtig.
    »Wir müssen dringend einen Heiler finden«, hörte er Aruula sagen. »Glaubst du, dass du mit meiner Hilfe gehen kannst?«
    Matt nickte, ohne wirklich darüber nachzudenken, und richtete sich stöhnend auf. Die Welt verschwamm vor seinen Augen, der Schmerz drohte ihm das Bewusstsein zu rauben, doch dann stand er, schwankend und mit seinem unverletzten Arm auf Aruula gestützt.
    »Sieht wie eine Sackgasse aus«, sagte er, als er die Felswand am Ende der Schlucht bemerkte.
    Aruula schüttelte den Kopf. »Das dachte ich in der Nacht auch, aber es gibt einen weiteren Spalt, der zur anderen Seite führt.«
    »Hast du dort etwas außer Felsen und Sand gesehen?«
    »So weit bin ich nicht gegangen. Ich wollte dich nicht länger als nötig allein lassen.«
    Matt vermied einen Blick auf sein Bein, das wie ein Fremdkörper über den Boden schleifte, und konzentrierte sich stattdessen darauf, einen
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