Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0418 - Die Waldhexe

0418 - Die Waldhexe

Titel: 0418 - Die Waldhexe
Autoren: Werner Kurt Giesa
Vom Netzwerk:
Gedanken? Gleich war doch alles zu Ende…
    Gryf kniete jetzt neben ihr. Er drehte sie auf den Rücken, vermied es aber, ihr ins Gesicht zu sehen.
    »Warum zum Teufel bist du nur hierher gekommen?« flüsterte er erstickt. »Warum? Du mußtest doch wissen, daß ich nicht anders kann…«
    Ja, warum nur bin ich hierher gekommen? fragte sie sich selbst auch.
    Gryf beugte sich über sie.
    Er setzte den Holzpflock an. Die traditionelle und erfolgversprechendste Art, einen Vampir unschädlich zu machen…
    Und sie konnte sich dagegen nicht wehren!
    Es war grauenhaft. Selbst wenn sie nicht vampirisch genug war in ihrem Wesen, würde sie an diesem Holzpflock sterben, den ihr Gryf ins Herz bohren würde. So oder so war sie tot.
    Und dafür war sie so weit geflohen? Dafür hatte sie die Strapazen auf sich genommen, Zamorra zu entwischen? Und jetzt war er nicht einmal in der Nähe, um ihr helfen zu können, weil sie doch alles getan hatte, ihre Spur vor ihm zu verwischen…
    Damit hatte sie sich ihr eigenes Grab gegraben.
    Sie spürte die Spitze des Pflocks zwischen ihren Brüsten und sah Gryf über sich, wie er mit dem Hammer ausholte.
    »Oh, verdammt…«, hörte sie ihn wie aus weiter Ferne flüstern. »Ich will es nicht, aber ich muß es doch tun… verzeih mir, Nicole…«
    Und dann schlug er zu.
    ***
    Zamorra hatte sich die Geschichte der Hexe Silvana angehört. Jetzt, da sie enttarnt war, sprach sie frei.
    Sie sprach von ihrem Wald, der ihr Kraft gab und den man ihr nehmen wollte, um den Menschen neuen Siedlungsraum zu geben. Sie sprach von ihren vorsichtigen Aktionen, Warnungen zu erteilen, mit denen sie aber zu langsam gewesen war, weil die Ereignisse sie überrollten.
    »Und deshalb haben Sie insgesamt drei Menschen getötet?« stieß Zamorra ungläubig hervor. Als seine Studentin von damals hatte er sie doch anders in Erinnerung. »Hätte es keine andere Lösung gegeben?«
    »Welche denn? Die Landnehmer verklagen? Himmel, Professor, wie stellen Sie sich das vor? Wie sollte ich das denn machen? Ich wäre niedergeschmettert worden. Und selbst wenn ich Erfolg hätte, hätte man mir längst vorher den Wald über dem Kopf angezündet, ehe die Richter ihre Roben aus dem Schrank geholt hätten… wir sind hier in Brasilien, Zamorra, nicht in den USA!«
    »Sie hätten zu mir kommen können«, sagte Lopez. »Vielleicht hätten wir etwas gefunden, mit dem wir diesen Leuten das Genick hätten brechen können…«
    »Sie gehören doch auch zu denen, die neues Land brauchen«, schleuderte sie ihm entgegen. »Sie fiebern doch auch dem Moment entgegen, wo Sie ein neues Haus auf neuem Boden bauen können… Auf Boden, der mir gehört, nur kann ich diesen Anspruch doch juristisch nicht durchfechten! Und Sie brauchen das Land, weil Ihres durch Raubbau und Mißwirtschaft zugrundegerichtet wurde…«
    »Wir können doch nicht anders«, murmelte Lopez. »Was sollen wir denn tun? Wir stecken doch in einer ähnlichen Zwangslage und wollen nur überleben…«
    »Auf meine Kosten!«
    »So kommen wir doch nicht weiter«, warf Zamorra energisch ein. »Gegenseitige Beschuldigungen und Entlastungsversuche bringen nichts. Wir müssen eine vernünftige Lösung finden. Wir…«
    »… kommen nicht an der Tatsache vorbei, daß sie als Mörderin vor Gericht gestellt werden muß«, sagte Lopez kühl.
    Zamorra zuckte mit den Schultern. »Notwehr«, murmelte er. »Totschlag… aber ich glaube selbst nicht, daß damit durchzukommen ist, ganz abgesehen davon, daß auch ich es nicht entschuldigen kann und will, daß diese Menschen zu Tode gebracht worden sind, Silvana… Sarina. Sie werden kaum an einer Mordanklage vorbeikommen, und wissen Sie, was dann passiert? Man wird sie lebenslang einsperren, in Pôrto Velho oder einer anderen Stadt… fernab von Ihrem Wald, den man niederbrennen wird. Tut mir leid, aber so sieht es aus…«
    Sie sank auf die Pritsche zurück und senkte den Kopf. »Das ist mein Tod«, murmelte sie.
    »Sie hätten von Anfang an einen anderen Weg gehen müssen«, sagte Zamorra. »Sie…«
    Die Tür flog auf.
    Übergangslos sahen Zamorra, Lopez und die Hexe in Gewehr- und Pistolenmündungen. Der Mann, der Zamora draußen in gebrochenem Englisch Auskunft erteilt hatte, führte die anderen an. Einige hielten Kreuze erhoben, als könnten sie damit Hexenkraft abwehren.
    »Zur Seite… an die Wand… Julio, schließ die Zelle auf!«
    »Was soll das?« entfuhr es Lopez, dessen Hand über der Dienstpistole schwebte. Aber er wagte es nicht,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher