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0406 - Liebesbriefe in Sing-Sing

0406 - Liebesbriefe in Sing-Sing

Titel: 0406 - Liebesbriefe in Sing-Sing
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Handgranate losgelassen.
    Ich stand auf und ging schwankend über das heiße Teerdach zur Feuerleiter.
    ***
    Die Sache hatte vor genau drei Tagen angefangen. Als wir den ersten Telefonanruf bekamen, hatten wir ihn noch nicht ernst genommen. Wir hatten zwar die üblichen Untersuchungen eingeleitet, aber im Grunde hatten wir geglaubt, es handle sich um einen Wichtigtuer.
    Es gab viele Verrückte.
    Aber schon am zweiten Tag merkten wir, dass es sich nicht um einen Verrückten handelte.
    Am dritten Tag hatten wir alle Beweise in der Hand. Die Beweise dafür, dass ein Mann vorhatte, jemanden zu töten.
    Aber wir konnten nicht handeln. Wir konnten das Opfer nicht warnen.
    Wir konnten nur warten.
    Die Telefonanrufe, die zunächst ein Kollege von uns, dann Phil und zuletzt ich bekommen hatten, waren meist gleichen Inhalts. Eine Stimme, die sich heiser und krank anhörte, teilte mit, dass in der Nacht vom 20. auf den 21. August ein Mann sterben werde.
    Es gelang nicht, den Apparat des Anrufers ausfindig zu machen, die Gespräche waren zu kurz gewesen.
    Als Phil den Anruf erhielt, hatte er fragen können: »Wer wird sterben?«
    Und diesmal antwortete die krächzende, unheimliche Stimme: »Ihr habt mein Baby fertiggemacht, und er war schuld. Ich werde ihn ihr nachschicken, als Geburtstagsgeschenk!« Dann hörte Phil bösartiges Lachen und ein Klicken. Der Unbekannte hatte aufgelegt.
    Aber die Kollegen von der Technik hatten herausgebracht, dass der Anruf aus Brooklyn kam, aus dem Viertel um die Boro Hall.
    Phil und ich überlegten krampfhaft, wie wir hinter das Rätsel kommen konnten. »Es handelt sich um eine Rache, und eine Frau soll gerächt werden«, begann ich. »Das morgige Datum und das FBI spielen eine Rolle«, fuhr Phil fort.
    »Er sagte: ›Ihr habt mein Baby fertiggemacht.‹ Das könnte heißen, dass wir seine Frau oder eine Freundin verhaftet haben. Aber die Hauptschuld gibt der Unbekannte einem anderen.«
    Ich sah Phil an und brach ab. »Es gibt noch einen Anhaltspunkt. Er hat doch gesagt: ›Ich schicke ihn ihr nach als Geburtstagsgeschenk‹, was bedeutet das?«
    »Dass die Frau tot ist.«
    »Richtig, und was hat der Geburtstag zu bedeuten?«
    »Das kann symbolisch sein.«
    »Schön. Also brauchen wir eine Liste aller Frauen, die in der letzten Zeit in Gefängnissen oder kurz nach einem Gefängnisaufenthalt gestorben sind. Das Datum kann der Termin der Verurteilung sein oder der Termin der Verhaftung…«
    »Nein«, unterbrach mich Phil, »das glaube ich nicht. Die Verhaftung haben, wenn unsere Theorie stimmt, wir vorgenommen, aber ihm geht’s um diesen Mann, es muss ein Datum sein, das mit ihm zu tun hat. Der Richter vielleicht, oder der Mann, der die Frau angezeigt hat.«
    Wir machten uns an die Arbeit und suchten Material. Den ganzen Tag, die Nacht und den nächsten Vormittag. Stöße von Papier, Fotos, Akten, Unterlagen, Hinweise, Protokolle und Zeitungsartikel gingen durch unsere Hände.
    Unsere Augen waren rot und entzündet, unsere Hände schwarz von Druckerschwärze und vom Staub alter Akten.
    Wir tranken literweise Kaffee und rauchten stangenweise Zigaretten.
    Es war ein Wettlauf mit dem Tod.
    Es galt, einen Mann zu fangen, den wir nicht kannten. Wir mussten ihn fangen, bevor er zum Mörder wurde.
    Am dritten Tag um 11 Uhr zehn hatten wir es geschafft. Wir glaubten zu wissen, wer das Opfer sein sollte.
    Aber hatten wir es wirklich geschafft? Wir würden es bald erfahren.
    ***
    Vor vier Jahren, am 30. August, war eine Frau zu lebenslänglich Zuchthaus verurteilt worden. Sandy Beiford hatte ihren Mann ermordet. Sie stritt das auch nie ab, allerdings war sie zum Zeitpunkt der Tat schwer betrunken gewesen, und ihr Mann hatte sie vorher geschlagen. Das Urteil lautete auf Totschlag, und der Rechtsanwalt hatte gute Aussichten gehabt, eine mildere Strafe für sie durchzubekommen.
    Sonderbar war, dass der Rechtsanwalt in seinem Schlussplädoyer praktisch seine ganze vorherige Verhandlungsweise zunichtegemacht hatte und durch seine Argumente, die denen des Staatsanwaltes kaum nachstanden, das hohe Urteil mitverursachte. Die Zeitungen hatten sich damals der Sache angenommen, und die Aussichten für eine Wiederaufnahme des Verfahrens standen nicht schlecht.
    Bis vor zwei Wochen.
    Da hatte sich Sandy Beiford plötzlich mit einer Schere die Pulsader aufgeschnitten. Sie war als fröhliche und gutwillige Gefangene bekannt gewesen und hatte in der Gefängnisschneiderei gearbeitet. An dem Tag vor zwei Wochen hatte sie
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