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0334 - Der Hexenspiegel

0334 - Der Hexenspiegel

Titel: 0334 - Der Hexenspiegel
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Durchfahrtsgenehmigung für das verwaiste Privatgelände.
    Semjonow auch nicht, aber das hatte ihn noch nie gestört.
    Boris Saranow faltete seine einhunderteinundzwanzig Zentimeter einschließlich zwei Zentner Lebendgewicht aus dem Fond des Dienstwagens, glättete sich sorgfältig und legte den Kopf in den Nacken, um die Hausfront zu betrachten. Er konnte nichts Auffälliges entdecken. Aber das war normal. Para-Phänomene zeigten sich nicht in äußerlichen Effekten.
    Saranow wartete, bis alle ausgestiegen waren, dann streckte er den Zeigefinger aus und tippte einen nach dem anderen an. »Schwesterchen Natascha, du schaust dich in den beiden oberen Etagen um. Brüderchen Leonid, du schreibst auf, was wir dir zurufen. Ich nehme den Keller. Und Sie, Brüderchen Spion, passen auf, daß wir nicht abhanden kommen. Vielleicht wollen uns ein paar Gespenster entführen.«
    Igor Semjonow verzog nur das Gesicht. »Aufschließen«, schnarrte der den Stadt-Beamten an.
    »Brüderchen Spion, so unwirsch redet man nicht mit einem verdienstvollen Staatsdiener«, rügte Saranow. »Sie sollten Ihr Benehmen ruhig ändern. Es geht auch mit ein wenig Höflichkeit anderen gegenüber, ja?«
    Semjonow schwieg weiter. Er betrat als erster das Haus. Boris Saranow folgte ihm. Sofort spürte er das Bedrückende, das sich über ihn legen wollte. Er empfand es wie einen körperlichen Schlag.
    »Schreib, Brüderchen Leonid«, murmelte er und schilderte seine Eindrücke.
    »Immer ich«, knurrte Abramov unwillig. »Reicht es nicht, daß ich jetzt für ein paar Tage in diesem besseren Dorf versauern muß? Muß ich da wirklich auch noch arbeiten?«
    »Schade, daß heute kaum noch jemand nach Sibirien geschickt wird«, grinste Saranow. »Die Lager sind alle schon übervoll…«
    »Saranow«, fauchte Semjonow ihn an. »Was sollen diese Bemerkungen?«
    »Ach, Sie können ja reden, Brüderchen Spion.« Er schob sich an dem KGB-Mann vorbei. Er kannte das Innere des Hauses von Fotos her. Er sah Natascha treppauf verschwinden. Hin und wieder rief sie Bemerkungen durch das Treppenhaus, die Leonid Abramov lustlos auf seinem Notizblock festhielt. Jeder andere hätte ein Diktiergerät benutzt. Abramov mochte diese »moderne Technik« nicht. Er war eben ein Mann voller Gegensätze. Vielleicht entsprangen gerade aus diesen Gegensätzen seine Ideen, deretwegen Saranow ihn in sein Team genommen hatte.
    Saranow überlegte. Diese bedrückende Wolke über seinem Geist… ihr Ursprung ließ sich nicht lokalisieren. Sie wurde nicht stärker und nicht schwächer, gleichgültig, wohin er sich wandte. Er ließ sich von dem Stadt-Beamten etwas über die Geschichte des Hauses erzählen. Aber da gab es nichts, was Anhaltspunkte gab. Kein tragischer Unglücksfall, der Ursache für einen Spuk sein könnte, kein Verbrechen… und Publikowa war auch nicht para-begabt gewesen. Zumindest hatte niemals jemand diesen Eindruck gehabt.
    »Eigentlich hat es erst vor etwa zehn Jahren angefangen«, fuhr der Beamte fort. Saranow hörte aufmerksam zu und machte sich Gedächtnisnotizen, manches ließ er Abramov aufschreiben. Nach einer Weile kam Natascha wieder von oben herunter.
    »Nichts«, sagte sie. »Dieses Gefühl der Bedrohung, des Bösen kommt überall gleich stark durch. Vielleicht sollten wir es einmal auspendeln.«
    »Vielleicht hat es dämonischen Ursprung«, überlegte Abramov. »Ein Fluch könnte über dem Haus liegen. Jemand, der Publikow nicht mochte…«
    Saranow hob die breiten Schultern.
    »Schaut euch doch mal den Spiegel auf dem Dachboden an«, schlug Natascha vor. »Da steht ein Prachtstück… ich fühlte mich irgendwie davon angezogen, kann aber nicht sagen, weshalb. Vielleicht hat der Spiegel etwas damit zu tun.«
    »Dobro«, murmelte Saranow. Er schnaufte die Treppen empor bis unters Dach. Das erste was er sah, als er den großzügigen Dachboden betrat, war der Spiegel. Da standen noch andere Möbelstücke herum, Figuren, Leuchter, Gemälde… der Kunstsammler Publikow schien nicht mehr gewußt zu haben, wohin mit seinem ganzen Kram, und hatte daher eine ganze Menge an Gegenständen auf den Dachboden verbannt. Unter anderem auch den von Natascha Solenkowa erwähnten Spiegel.
    Er war ziemlich eingestaubt. Ein paar Dutzend Spinnen hatten ihre Netze an ihm verankert. Der Spiegel war etwas über einen Meter hoch und mit einem kostbar verzierten, aufwendig gearbeiteten Rahmen eingefaßt.
    Saranow kauerte sich vor dem Spiegel auf die Bodenbretter und strich mit dem Finger
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