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0330 - Der Todesclub

0330 - Der Todesclub

Titel: 0330 - Der Todesclub
Autoren: Der Todesclub
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gab noch eine ganze Menge Papierkram. In einem Fach steckte alles, was mit dem Studium zu tun hatte: ein Vorlesungsverzeichnis von Harvard und ein anderes von einem New Yorker College, ein Heft mit den Paragrafen der Hausordnung eines Studentenwohnheims, sechs Bons für verbilligte Mahlzeiten in irgendeinem Speisesaal, der die Nummer sechs trug, außerdem zwei Bescheinigungen für absolvierte Sonderkurse und eine detaillierte Abrechnung der Universitätswäscherei.
    Das nächste Fach war privaten Erinnerungsstücken Vorbehalten. Da gab es zwei abgerissene Theaterkarten von der Metropolitan Opera mit dem Stempelaufdrück Rigoletto außerdem steckten in dem Fach vier farbige Fotos, die bei den Niagarafällen aufgenommen waren. Sie waren nicht besonders aufschlussreich, da es sich um Gruppenaufnahmen - offenbar einer Reisegesellschaft - handelte. Die Abgebildeten waren ausnahmslos jüngere Leute.
    Vier Lohnstreifen, die reichlich ein halbes Jahr alt waren, bescheinigten einen wöchentlichen Lohn von neunzig Dollar.
    »Sieht aus, als ob er in den Semesterferien gearbeitet hätte«, sagte Phil.
    »Aus einer vermögenden Familie stammt er offenbar nicht. Sieh dir die abgetragenen Schuhe und das Jackett an. Notier dir bitte mal dieses mysteriöse Kappa Eight.«
    Im nächsten Fach steckten vierzehn Zettel, die von einem Tischkalender abgerissen waren. Auf den Rückseiten standen handschriftliche Notizen über chemische Versuche.
    »Nichts weiter?«, fragte Phil enttäuscht.
    Ich ließ die Brieftasche durch meine Finger gleiten. Irgendetwas stimmte nicht. Unter dem dünnen, imitierten Leder spürte man etwas. Ich räumte noch einmal die einzelnen Fächer aus und legte ihren Inhalt säuberlich nebeneinander. Als ich nun die leere Brieftasche abtastete, war die kleine Ausbeulung unter dem Kunststoff der Rückseite immer noch vorhanden. Ich unterzog die Brieftasche einer genaueren Untersuchung und entdeckte ein Geheimfach. Es lag zwischen dem zweiten und dritten Fach und war nur zu finden, wenn man sehr genau hinsah. Mit der Fingerspitze schob ich es auseinander.
    Ich fand einen Briefumschlag, der in der Mitte gefaltet war. Die Anschrift lautete auf den Namen, der im Studentenausweis stand. Die Adresse war die offizielle Anschrift der Harward-University. Einen Absender gab es nicht. Die Briefmarken stammten aus der zurzeit gebräuchlichen Serie und waren vom Postamt des 16. New Yorker Postbezirks abgestempelt.
    »Das ist die Gegend von Murray Hill«, sagte Phil. »Von der Fifth Avenue bis zum East River, zwischen der 26th und 40th Street.«
    »Hast du die Postbezirke auswendig gelernt?«
    »Na, immerhin liegt es ganz in der Nähe. Außerdem kenne ich New York. Was man von dir ja nicht unbedingt behaupten kann. In gewisser Weise bist du eben immer noch der Bursche aus Harpers Village/Connecticut.«
    »Jetzt brauchst du mich nur noch mit dem Namen anzureden, auf den ich getauft wurde«, knurrte ich. »Aber vorher würde ich an deiner Stelle mal auf dem Friedhof Probe liegen.«
    »Aber gern, Jeremias.«
    Bei solchen Gelegenheiten gehe ich im Allgemeinen die Wand hoch, aber diesmal entdeckte ich eine Sekunde vor der Explosion etwas sehr Interessantes. Nämlich einen kleinen Bogen im Umschlag.
    Auf dem Bogen stand:
    Darling, bitte, komme so schnell wie möglich. Ich bin in fürchterlichen Schwierigkeiten und weiß mir keinen Rat mehr. Deine Vicky.
    ***
    Die Sanitäter des Krankenwagens trugen weiße Leinenanzüge und ihre Gesichter dufteten stark nach Rasierwasser.
    Wir zeigten den Männern den noch immer bewusstlosen Cranzler und die Wunde von dem Messerstich. Einer fragte gleichmütig: »Kennen Sie seinen Namen?«
    »Er hat einen Studentenausweis bei sich. Wenn es seiner ist, heißt er Bernhard G. Cranzler und lebt in einem Wohnheim der Harvard-Universität.«
    »Schreiben Sie’s auf einen Zettel, ja?«
    Ich tat es, während sie den jungen Mann auf ihre Trage betteten. Schweigend gingen wir neben ihnen her durch den Flur. Aus dem Lift kam gerade unser Distriktschef, der, seit wir ihn kennen, morgens zu den Ersten und abends zu den Letzten im FBI-Gebäude gehört. Er blieb überrascht stehen, beugte sich über den jungen Cranzler und trat dann schweigend zur Seite.
    Mr. High wartete, bis der Verletzte mit seinen beiden Trägern im Lift verschwunden war. Dann wandte der Chef sich an uns.
    »Guten Morgen, Phil. Guten Morgen, Jerry. Wer war das?«
    Wir berichteten von dieser seltsamen Begegnung am frühen Morgen. Phil fügte hinzu:
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