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033 - Das vertauschte Gehirn

033 - Das vertauschte Gehirn

Titel: 033 - Das vertauschte Gehirn
Autoren: Peter T. Lawrence
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einen Blick durch das Guckloch gewagt hatte.
    „Der Herr im Himmel möge ihm beistehen“, flüsterte er tonlos. „Dieser Mann hat Furchtbares mitgemacht. Niemand darf ihn mehr richten. Er ist schon gerichtet.“
    Getman drängte den Pfarrer von der Tür, schob die Klappe beiseite und preßte sein Gesicht an die Öffnung.
    „Schrecklich“, murmelte er. Holbers stand da und starrte wie hypnotisiert auf seine Hände, an denen schlaff die Haut mit den winzigen, hervorquellenden Äderchen hing. Sie hatte die Farbe von altem Pergament, war faltig und zerknittert. Das Gesicht des Mannes war kaum wiederzuerkennen. Tief lagen die Augen in den Höhlen. Das wenige Haar, das er noch auf dem Kopf hatte, war gelblich weiß, blutleer die Lippen und die Augen trübe. Mike Holbers war steinalt.
    Direktor Getman ließ die Klappe zufallen, blickte ratlos den Pfarrer, dann Crowly an. „Man muß etwas tun“, murmelte er. „Es ist schrecklich. Wir können doch nicht einen Greis aufhängen lassen. Ich selbst werde die Königin anrufen und um die Begnadigung Holbers bitten. Er muß eine schreckliche Nacht hinter sich haben.“
    „Ein Alptraum?“ fragte der Wärter mit zitternden Lippen.
    Getman schüttelte den Kopf.
    „Unmöglich! Sie wissen doch selbst, wie abwesend er in den letzten drei Tagen wirkte. So, als befände er sich mit den Gedanken gar nicht bei uns. Essen hat er ja auch nicht angerührt.“
    „Ich verstehe es trotzdem nicht“, murmelte Crowly, dem die Farbe immer noch nicht ins Gesicht zurückgekehrt war. „Er sah doch gestern Abend noch ganz normal aus.“
    „Niemand wird es verstehen. Am wenigstens er selbst, glaube ich“, sagte der Pfarrer und bekreuzigte sich. „Ich werde für ihn beten.“
    „Sie bleiben hier“, sagte Getman zu dem rothaarigen Wärter. Er hatte jetzt – seinen Entschluß gefaßt. „Ich werde mit dem Henker und den Zeugen reden und versuchen, das Königshaus telefonisch zu erreichen.“
    Mit raschen Schritten eilte er davon.

    Ich schaue auf die Hände eines Greises. Ich bewege meine Finger, und die Finger des Alten krümmen sich. Es sind meine eigenen Hände. Mein Gott! Ich fasse nach meinem Gesicht. Nichts als schlaffe, alte Haut!
    Früher habe ich schon einmal von Leuten gehört, die aus Sorge und Kummer über Nacht ergrauten. Aber das das Grauen und die Angst einen Menschen um fünfzig Jahre altern läßt, habe ich nicht gewußt bis zum heutigen Morgen.
    Als ich zum Fenster gehe, begreife ich endlich, das ich nicht müde bin und ausgelaugt, sondern, das die Schwäche des Alters in meinen Knochen steckt. Und ich merke, daß das Alter den Blick meiner Augen getrübt hat. Ich bin froh, daß es keinen Spiegel in der Zelle gibt. Irgendwann hätte mich die Neugierde bestimmt dazu getrieben, einen Blick hineinzuwerfen. Ich weiß nicht, ob ich den Anblick ertragen würde.
    John Morgan ist ein alter, gebrechlicher Mann.
    Ächzend setze ich mich auf die Pritsche. Dabei schmerzt mich mein Rücken. Ganz langsam geht ein Gedanke durch mein Gehirn. Ja, so muß es gewesen sein. Dieser letzte Energieverbrauch hat mich fertig gemacht. Als ich mit aller Kraft den Gedankenblock Doc Lundis durchschlug, muß ich die Kraft und Energie von unendlich vielen Lebensjahren zusammengerafft haben. Ich habe mich selbst auf dem Gewissen.
    Dies wäre also geklärt! Aber wie kommt es, das Crowly lebt? Direktor Getman vermutlich auch, denn Crowly hätte doch sonst irgend etwas gesagt. Auch hier muß es eine Lösung geben. Ich muß nur darüber nachdenken.
    Es ist schwierig. Ich glaube mein verdammtes Gehirn will nicht mehr so wie ich! Das Alter wird Schuld daran sein. Man wird alt und merkt es kaum, alles geht viel zu schnell.
    Ich wollte doch über irgend etwas nachdenken. Was war das denn nur?
    Ah, jetzt hab’ ich es wieder! Wieso lebt Crowly, wenn er eigentlich tot sein müßte? Hat er eben nicht gesagt, das er das Gefühl hatte, ein halber Morgan oder Holbers wäre nur noch in der Zelle gewesen. Ich muß unwillkürlich lächeln. Als er reinkam, wurde er regelrecht formell. Nie zuvor hat er mich Holbers genannt, weil ja alle Welt glaubt, daß ich Holbers bin. Immer hat er geäfft und mich Morgan genannt, weil ich vor Gericht immer wieder betont hatte, ich wäre Morgan.
    Komisch! Ich ertappe mich dabei, wie ich wirres Zeug vor mich hin plappere. Im Augenblick fühle ich mich etwas frischer und kräftiger, aber sollte ich tatsächlich schon so alt sein, das mein Gehirn träge ist?
    Ich höre Getrappel auf dem
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