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0084 - Schreie in der Hexengruft

0084 - Schreie in der Hexengruft

Titel: 0084 - Schreie in der Hexengruft
Autoren: Dieter Saupe
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Der Gifttrunk wirkte noch unheimlicher, als die Besinnungslosigkeit des jungen Mädchens vermuten ließ. Seine Wirkung war genau berechnet.
    Kaum war Idrina in sich zusammengesunken, erwachte sie schon wieder.
    Sofort waren die Hexen bei ihr. Die älteste von ihnen trat dicht an sie heran. Brutal riß sie das Mädchen an den Haaren hoch.
    »Geh!« befahl sie mit ihrer heiseren Stimme, die an das Krächzen einer alten Wetterfahne erinnerte. »Geh vor uns her, Idrina. Wir werden dir folgen.«
    Das giftige Getränk hatte in Sekunden bewirkt, daß Idrina jede Erinnerung verlor. Sie wußte auch nicht, wohin sie ging und wo sie sich befand. Ihre Willenskraft ließ nach. Sie konnte keine Gegenwehr aufbringen. Wie eine Puppe, die durch einen Mechanismus gelenkt wurde, setzte sie Fuß vor Fuß. Das Gedächtnis war bereits vollkommen ausgeschaltet.
    Der Sturm hatte sich noch verstärkt. Wütend kam er mit heftigen Böen aus der Schlucht herauf, bog die starken Fichten zur Seite, riß Felsbrocken aus dem uralten Gestein und schleuderte sie durch die Luft.
    Obwohl die Dämmerung noch nicht eingesetzt hatte, war es ringsum völlig finster. Nur mühsam war der Weg zu erkennen.
    Der Weg, der für Idrina Matilec ein Leidensweg werden sollte…
    ***
    Stumm und willenlos ging das Mädchen vor den Hexen her. Nur manchmal unterbrach ein knapper Befehl das Schweigen. Die Hexenweiber mußten schreien, um sich durch das wütende Fauchen des Sturms verständlich zu machen.
    »Links!« schrie die älteste der vier. »Links, Idrina!«
    Da wandte sich das Mädchen automatisch nach links. Die Hexen waren nur wenige Schritte hinter ihr.
    Spärliches, niedriges Buschwerk tat sich jetzt vor ihnen auf. Da es in der Dunkelheit kaum zu sehen war, fühlte Idrina, wie die Zweige sich ihr entgegenstellten, ihre Beine zerkratzten, mit spitzen Dornen in ihren Wollrock drangen.
    Aber sie spürte dies alles nur im Unterbewußtsein. Es schien sie nicht zu betreffen. Es war ganz weit weg von ihr. Wie unwirklich.
    Wie ein Traum, in dem man sich selbst zu sehen glaubt und sich sprechen hört.
    Dann brach das Buschwerk wieder ab, machte einem Feld von Stein und Geröll Platz. Hart setzten die Füße auf den Boden. Nur der brüllende Sturm verschluckte die scharrenden Geräusche.
    »Rechts jetzt!« rief eine der Hexen.
    Wieder kam Idrina dem Befehl nach. Wie eine Spielzeugpuppe. Sie wandte sich nach rechts. Gleich darauf fühlte sie sich am Arm gepackt.
    »Geh schneller!« herrschte eine Stimme sie an. »Wir müssen im Trockenen sein, bevor der Sturm die Wolken zerreißt.«
    Aber da hörten sie es schon von weitem heranrauschen. Es war, als ob die nasse Decke des Himmels zerplatzte. Wolken wurden zerfetzt, gossen ihren Inhalt über die kahlen Berge. Der Regen kam so dicht, als würde man das Wasser mit Eimern über ihnen ausgießen.
    Idrinas Schuhe waren im Nu voll Wasser. Sie fühlte, wie der Regen ihr Haar durchnäßte, wie er in kleinen Bächen über ihr Gesicht lief. In den Nacken. Durch die schmale Halsöffnung ihrer Bluse. An Brust und Rücken hinunter.
    Dieser Regen, stark und heftig wie ein Wolkenbruch, schien Idrina mit sich fortzureißen.
    Aber da tat sich ein Hindernis vor ihr auf.
    »Warte!« rief eine der Hexen ihr zu.
    Idrina spürte mehr, als sie beobachten konnte, wie eine Gestalt sich an ihr vorbei schob. Auf die dunkle Wand zu, die sich vor ihnen erhob.
    Auch jetzt wußte das Mädchen nicht, wo sie sich befanden.
    Undeutlich hörte sie eine Tür knarren, ein verrostetes Schloß ächzen. Dann fühlte sie sich wieder am Arm gepackt, nach vorn gezerrt.
    »Hier hinein!« kam eine Stimme an ihr Ohr.
    Sie wußte nicht, wohin sie ging. Aber sie ging durch die Öffnung in der Wand. Sie sah einen schmalen Schacht, der senkrecht nach unten führte.
    Schwacher Lichtschein kam von dort herauf.
    »Hinunter!« rief jemand.
    Idrina stieg in die Öffnung. Der Schacht war viereckig. Es gab keine Leiter, die nach unten führte.
    Idrina sah, daß schwere Steine aus zwei gegenüberliegenden Wänden ragten. Dort mußten Hände und Füße Halt suchen, wenn jemand ins Innere des Schachtes gelangen wollte.
    »Hinunter!« hörte Idrina noch einmal rufen.
    Im Bewußtsein des gefährlichen Abstiegs kletterte Idrina ganz vorsichtig hinunter.
    Die vier Hexen folgten ihr.
    Dann ging es einen engen Gang entlang, bis zu einem Bretterverhau.
    »Bleib stehen!« rief die älteste der Hexen.
    Idrina gehorchte.
    »Sieh dich um, Idrina! Weißt du, wo du bist?«
    Das Mädchen sah um
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