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03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen

Titel: 03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen
Autoren: Choga Regina Egbeme
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bewegen. Und ich spürte wieder seine unbändige Freude, mich herumführen und mir die Welt mit seinen Augen zeigen zu dürfen. Ich trauerte mit ihm um einen Vater, den er nie gehabt hatte. Ich empfand seine Wärme, als er sich an mich kuschelte, und hörte ihn sagen: „Es ist so gemütlich bei dir, Mami.“ Nicht zuletzt fühlte ich seine unglaubliche Verwunderung darüber, dass die Welt der Erwachsenen so groß war und er zu schwach, um sich auf unserem Dach halten zu können.

    Ich lauschte auf Joshs Atmung; sie wurde immer flacher. Die starke Hand, die ihn in dieses Leben geschickt hatte, nahm ihn ganz langsam wieder fort.
    Ich beugte mich über sein Gesicht, streichelte mit den Fingerspitzen seine leicht geöffneten Lippen. Sie vibrierten, als wollte er mir ein letztes Lebewohl zuflüstern. Ich spürte ihn noch einmal aufatmen, dann wich alle Spannung aus seinem zarten Körper. Und jetzt, da ich wusste, dass meine liebevolle Umarmung ihm nicht mehr wehtun konnte, hielt ich ihn fest.
    Mein Kopf lag auf seiner schmalen Brust. Sein Herz hatte aufgehört zu schlagen. Ich blieb so liegen, unfähig, mich zu bewegen. In mir war nur noch Leere, eine tiefe schwarze Ohnmacht. Und gleichzeitig ein Schmerz, der mein Herz zerriss.
    Dass draußen ein Auto vorgefahren war, merkte ich gar nicht. Ich kam erst wieder zu mir, als ich Magdalenas Hände auf meinen Schultern spürte.
    „Schwesterchen, hörst du mich? Dr. Rashid ist hier. Mit einem Krankenwagen. Wir können Josh jetzt in die Klinik bringen.“
    Ich richtete mich auf. „Gott hat Josh zu sich geholt, Magdalena. Er ist erlöst.“ Erst als ich das ausgesprochen hatte, wusste ich, was diese Worte bedeuteten: Mein Kind musste nicht mehr leiden. Gottes Gnade hatte es ihm erspart. Obwohl er mir meinen Sohn genommen hatte, spürte ich dennoch ein Gefühl der Dankbarkeit. Begreifen konnte ich zwar nicht, warum mein Kind so plötzlich aus diesem Leben gerissen wurde. Doch Gott hatte ihm einen friedlichen Abschied geschenkt. Wir durften ihn alle begleiten - seine Omas, die er so liebte, und ich.
    „Frau Egbeme, lassen Sie mich Josh untersuchen“, hörte ich Dr. Rashid sagen. Ich hätte ihn am liebsten fortgeschickt. Ich wollte nicht, dass fremde Hände mein Kind gerade jetzt berührten. Dieser Moment sollte uns gehören. Für immer vielleicht. Gleichzeitig spürte ich die Hand des Arztes, der mir aufhelfen wollte.
    So ließ ich mein Kind los. Ich konnte Josh nicht festhalten. Er war fort. Nur sein Körper lag noch da. Ungeschützt. In diesem Moment war ich froh, nichts sehen zu müssen. Die Dunkelheit erschien mir wie eine Gnade, mit der Gott mir diesen unerträglichen Abschied leichter machte.
    Magdalena begleitete mich ein paar Schritte fort vom Bett und drückte mich auf den Hocker. Es war gespenstisch still. Nur das unterdrückte Schluchzen von Mama Bisi, Mama Ada und Mama Funke nahm ich jetzt wahr. Bisis mütterliche Nähe umfing mich mit Wärme. Ich lehnte mich an sie und lauschte in die Dunkelheit.
    Endlich vernahm ich Dr. Rashids leise Stimme, verstand jedoch nicht, was er sagte. Erst an Magdalenas Reaktion erkannte ich, dass ich mich nicht geirrt hatte. „Warum? Er war doch noch so jung!“, rief sie verzweifelt.
    Mama Bisi drückte mich noch fester an sich, aber auch ihr fehlten die Worte, um das Unfassbare einzufangen. Dr. Rashid ergriff meine Hände:
    „Es tut mir Leid, Frau Egbeme. Ich kann nichts mehr für Ihren Sohn tun.“
    Ich erhob mich so langsam von dem Hocker, auf dem ich saß, als würde eine zentnerschwere Last auf mir ruhen.
    „Als Ihre Schwester mich anrief, habe ich alles versucht, um so schnell wie möglich Hilfe zu organisieren“,
    sagte Dr. Rashid mit tiefem Bedauern in der Stimme. Ich hatte Mühe, seinen Worten zu folgen. Es erschien mir so sinnlos, über das Unabänderliche zu sprechen.
    Doch für Magdalena war es wichtig. Selbst im Moment von Joshs Tod wollte sie sich nicht, wie sie es genannt hatte, fremdbestimmen lassen. „Ich bat um einen Hubschrauber. Vielleicht hätten wir Josh dann noch retten können.“ Meine deutsche Schwester klang verzweifelt. „Aber so etwas gibt es hier nicht.“
    „Ich weiß, in Deutschland hätte man Josh wohl noch ins Krankenhaus geflogen. Aber wir sind in Afrika. Hier ist das nicht so einfach. Bei uns geht alles viel langsamer“, meinte der Arzt, der beide Welten kannte.
    Mir fehlte fast die Kraft, zu sprechen. „Joshs Leben lag in Gottes Hand“, sagte ich, um wenigstens Magdalena zu trösten, damit
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