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03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen

Titel: 03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen
Autoren: Choga Regina Egbeme
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sammelten sechs HIV-positive Witwen des inzwischen verstorbenen Felix, und vier ihrer Kinder um uns. Mit ihnen und Josh kehrten wir zurück auf die Farm und verwandelten sie in eine Oase der Geborgenheit.
    „Auf Chogas Compound liegt kein Segen“, sagten manche Leute in Jeba.
    Einige meinten sogar, es sei ein Fluch. Sie wollten nicht einsehen, dass gerade wir einen Platz zum Leben brauchten. Einen Ort, der uns Sicherheit gab.
    Wer die Farm Ende Oktober 2001 sah, mochte ihnen dennoch Recht geben: Sämtliche Nebengebäude und die Kapelle waren abgebrannt. Nur das alte Farmhaus war wie durch ein Wunder verschont geblieben. Sein spitzes, hohes Blechdach, dessen mattes Rot von Sonne und Regen verwittert war, bot den Stürmen der Zeit die Stirn. Was ich für dummes Gerede gehalten hatte, das hatte sich als düstere Prophezeiung erfüllt.
    An diesem Oktobermorgen wollte ich den Sonnenaufgang wie früher bei den Büschen der Wunderblume genießen, meinem Lieblingsplatz auf der Farm. Ich schleppte mich die wenigen Schritte von meinem Zimmer bis zur Veranda und merkte, dass meine Kräfte nicht ausreichten. Erschöpft ließ ich mich in den Korbsessel fallen. Obwohl ich fror, rann mir der Schweiß übers Gesicht, meine Hüfte und mein Rücken schmerzten. Ich hatte das Gefühl, einen Tag harter Arbeit hinter mich gebracht zu haben.
    Im weiten Hof vor dem Haus, in dem ich versucht hatte zu schlafen, lagen die Trümmer der Verwüstung. Verkohlte Balken ragten in den noch trüben Himmel, hinter dessen Morgennebel das müde Glühen der Sonne langsam erwachte. Meine Träume, meine Hoffnungen waren ein Haufen Schutt. Und mir fehlte die Kraft, aufzustehen und all das, was mein Zuhause war, wieder aufzubauen. Die Ruinen, deren Anblick ich kaum ertrug, machten mir unmissyerständlich klar, wie es in mir selbst aussah. Ich war 25 Jahre alt.
    Die Frauen, auf deren Urteil ich mich verließ, hatten beschlossen, dass ich mich bei Ezira erholen sollte. Mein Leben lang hatte ich auf den Rat von Mama Bisi und Mama Ada gehört. Umso tiefer berührte mich ihr Urteil, obwohl ich gleichzeitig wusste, dass sie es mit mir nur gut meinten. Sie sahen in mir die Tochter, die Hilfe
    brauchte. Ich aber empfand mich als Heilerin, die ihren Gefährtinnen zur Seite stehen musste. Wie konnte ich das, wenn ich schon ganz bald eine Tagesreise von hier entfernt wäre? Weit im Süden, im Regenwald ..
    Mit aller Kraft umklammerte ich meinen Stock, ohne den ich wegen meines angeborenen Hüftleidens nur schwer laufen konnte, und machte mich auf den Rückweg in mein Zimmer. In der doppelflügeligen Glastür, die Veranda und Eingangshalle verband, begegnete mir Amara. Über ihr Gesicht, in dem stets ein Lachen schlief, das nur erweckt werden wollte, legte sich tiefe Besorgnis.
    „Bist du schon wieder als Erste wach?“ Sie nahm mich in die Arme und blickte mir tief in die Augen. Dann schnalzte sie mit der Zunge, wie sie es immer tat, wenn ihr etwas nicht behagte. „Du hast hohes Fieber, Choga.
    Leg dich wieder hin. Ich bin doch jetzt da, um dir alles abzunehmen.“ Erst wenige Tage zuvor war sie aus Lagos angereist, um meine Aufgaben als Heilerin zu übernehmen.
    Meine mütterliche Freundin hakte mich unter, damit ich nicht taumelte, und brachte mich ins Bett. Sie deckte mich zu wie ein kleines Kind. „Ich bin nebenan, mache den Heiltee und für dich eine stärkende Medizin.“
    „Soll ich dir nicht lieber helfen?“ Meine Frage klang eher wie die Bitte, mich nützlich machen zu dürfen. Der Heiltee war unser Wundermittel, das alle mit dem Virus Infizierten erhielten. Er stärkte die körpereigenen Abwehrkräfte. Seitdem wir uns auf unsere Oase zurückgezogen hatten, hatte ich ihn dreimal am Tag aus frischen Kräutern, Beeren, Blättern, Wurzeln und Rinde bereitet. Eine Arbeit, die mich von morgens bis abends beschäftigt hatte.
    Amara schenkte mir ein warmherziges Lächeln. Vielleicht erkannte nur ich das Mitleid darin, das sie gewiss
    nicht zeigen wollte. Eine Heilerin darf nur heilen und Medizin zubereiten, wenn sie selbst gesund ist. Sonst ist ihre Arznei wirkungslos. „Ruh dich aus, Choga, sammle Kraft, damit du in ein paar Tagen zu Ezira aufbrechen kannst.“
    Sie wollte gehen, doch ich hielt meine mehr als 40 Jahre ältere Freundin schnell genug am Zipfel ihres dunkelgrünen Wickelkleides fest. „Ich habe so ein schlechtes Gewissen, dass ich dich mit meinen Aufgaben belaste. Du hast dein eigenes Leben, aus dem du herausgerissen bist.“
    „Ich wäre doch
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