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03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen

Titel: 03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen
Autoren: Choga Regina Egbeme
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erst wenige Monate alter Welpe mit dunklem Fell und hellbraunen Flecken über den Augen. Sie sprang nun in mein Zimmer und forderte Josh zum Spielen auf.
    „Magdalena gibt euch gleich Unterricht“, sagte ich. „Willst du heute mitmachen?“
    „Darf ich wieder?“ Er umarmte mich noch einmal ungestüm und rannte mit Hope hinaus. Ich war nicht kräftig genug, um ihn so wie Amara zur Besonnenheit zu ermahnen.
    In unserem weiten Treppenhaus, das unteres und oberes Stockwerk miteinander verband, rief meine deutsche Halbschwester ihre wenigen Schüler zusammen. In Gedanken sah ich, wie die fünf Kinder sich versammelten, und lauschte Magdalenas deutschem Akzent. Die Gymnasiallehrerin für Mathematik und Physik brachte ihren Schülern geduldig Lesen bei. Dafür hatte sie sich von ihrer Schule in Deutschland beurlauben lassen.
    Ich hatte ihr mal gesagt, dass ich diese Selbstlosigkeit an ihr bewunderte.

    Sie hatte darauf geantwortet: „Ich habe dich erst getroffen, als ich 41 war.“
    In ihren Augen lag oft eine gewisse Traurigkeit, wenn sie mich ansah. „Du wurdest mir vorenthalten, Schwesterchen.“
    Erst zu Ostern 2000 hatten wir uns kennen gelernt; Magdalena hatte unsere Mutter in Lagos besuchen wollen. Doch Mama Lisa war am Tag zuvor gestorben und wir begruben sie gemeinsam auf ihrer Farm. Ein Jahr später kehrte meine Schwester zurück, entschlossen, bei uns zu leben. Mit großer Freude begann sie zu unterrichten. Nun, wenige Wochen später, war die neue Schule bereits wieder zerstört. Pragmatisch, wie sie war, wollte Magdalena sich davon nicht unterkriegen lassen. „Egal was passiert ist, die Kinder brauchen ein gewisses Maß an Normalität und einen geregelten Tagesablauf“, hatte sie gemeint und den Unterricht in die Eingangshalle verlegt.
    Eine Weile lauschte ich Magdalenas Stimme. Gerade war Joshs kleine Freundin Baina mit Rechnen dran. Sie war erst fünf und ich hörte meinen Sohn ihr vorsagen.
    „Lass sie mal machen, Josh. Baina kann das“, mahnte meine Schwester sanft.
    „Du kannst stolz sein auf deine Schwester“, hatte meine Mutter immer zu mir gesagt. Damals war es ein Versprechen gewesen, das sich auf eine mir noch Unbekannte bezog. Mama Lisa hatte nicht mehr erleben dürfen, wie es sich erfüllte.
    Ich wälzte mich unruhig im Bett und starrte an die hellgrau gestrichenen Holzpaneelen an den Wänden. Das hohe Fieber gaukelte mir vor, dass sie atmeten. Die Astlöcher in der verblassten Farbe wurden zu Gesichtern, die mich anstarrten. Nebenan übten die Kinder nun Lesen. Ihre Stimmen verzerrten sich zu jenen der Fratzen. Sie erzählten meine Geschichte.
    Wir haben zugesehen, was dir hier angetan wurde, schienen sie zu sagen.
    Meine vom Fieber aufgewühlte Phantasie zeigte mir dazu die Bilder der Vergangenheit. Einen Mann, der mich gedemütigt und in diesem Bett vergewaltigt hatte, in dem ich jetzt lag. Und dem ich dennoch trotzig die Stirn geboten hatte, nicht ahnend, zu welcher Wut ihn mein Stolz trieb.
    Weder mein Vater noch meine Mutter erfuhren zu dieser Zeit von den Qualen, die ich litt. Sie waren weit entfernt, im Harem in Lagos. Erst zu Papa Davids Beerdigung kehrte ich zurück und nutzte das Durcheinander zur Flucht ..
    Amaras Hände beruhigten mich. „Du hast geträumt“, sagte meine Mentorin und reichte mir einen Becher Tee. Ihre Medizin schmeckte ungewohnt bitter. „Ich habe ein sanftes Beruhigungsmittel hinzugefügt“, erklärte die Heilerin. „Du bist ganz nass geschwitzt.“
    „Ich habe von Felix geträumt“, sagte ich, überwältigt von meiner mit aller Wucht zurückgekehrten Erinnerung. „Wenn du mich damals nicht gerettet hättest, ich glaube, ich wäre gestorben!“
    Amara lächelte mich aufmunternd an. „Ich bin doch nicht deine Retterin! Ich war zur rechten Zeit am rechten Ort. Die wahren Heldinnen waren Lisa, Bisi und Ada. Sie haben deine Flucht erst ermöglicht.“ Sie tupfte mir die Stirn trocken. „Die Vergangenheit wird dich in Ruhe lassen, sobald deine Temperatur sinkt.“
    Als ich wieder erwachte, war es immer noch hell draußen. Der Unterricht war vorüber. Doch das alte Haus, das sich ein englischer Farmer zu Beginn des letzten Jahrhunderts im Kolonialstil hatte bauen lassen, war unruhig.
    Seine Balken vibrierten sanft knarrend. So viele junge Menschen wohnten hier zusammen. Die Mädchen waren in Joshs Alter, zwischen fünf und sechs, ihre Mütter Anfang bis Mitte 20. Die großen Zeiten des Harems hatten sie nie erlebt. Nur die schlechten. Jene, in denen
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