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03 Göttlich verliebt

03 Göttlich verliebt

Titel: 03 Göttlich verliebt
Autoren: Josephine Angelini
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Antlitz schauen kann, das ich auf dieser Welt am meisten liebe, wenn meine halb-sterbliche Schwester eines Tages nicht mehr da ist.«
    Die goldene Aura der Göttin fing wieder an zu glühen. Sie sah die Männer von Troja einen nach dem anderen an und ihre Stimme klang plötzlich wie das Grollen von weit entferntem Donner.
    »Ihr müsst mir alle schwören, dass ihr meine Schwester und ihr ungeborenes Kind schützen werdet. Wenn Helen und die Linie ihrer Töchter stürben, gäbe es auf der Erde nichts mehr, das ich lieben würde«, sagte sie und sah ihren Sohn Aeneas einen Moment lang entschuldigend an, bevor sie auch ihn mit einem finsteren Blick bedachte. Er ließ betrübt den Kopf hängen und Aphrodite wandte sich Hektor zu. »Solange meine Schwester lebt und die Linie ihrer Töchter weiter besteht, wird es Liebe auf der Welt geben. Das schwöre ich auf den Styx. Aber wenn du Helen sterben lässt, Hektor von Troja, Sohn des Apoll, werde ich diese Welt verlassen und die Liebe mitnehmen.«
    Hektor schloss einen Moment lang die Augen, als ihm die Tragweite dieser Drohung bewusst wurde. Als er sie wieder öffnete, war klar, dass er sich geschlagen gab. Was für eine Wahl hatten sie denn auch? Er sah seine Brüder und Aeneas an, und sie kamen wortlos überein, dass sie nicht ablehnen konnten, auch wenn die Konsequenzen fürchterlich sein würden.
    »Wir schwören es, Herrin«, sagte Hektor schließlich.
    »Nein, Schwester. Tu das nicht. Menelaos und Agamemnon haben einen Pakt mit den anderen griechischen Königen geschlossen. Sie werden Troja mit geballter Stärke angreifen«, stöhnte die andere Helen eindringlich.
    »Natürlich werden sie das. Und wir werden uns zur Wehr setzen«, versicherte Paris so düster, als könnte er die Kriegsschiffe bereits sehen, die zweifellos schon bald ihre Küste ansteuern würden. Er hob Helen hoch, obwohl sie kraftlos versuchte, sich zu wehren.
    »Wirf mich über Bord und lass mich ertrinken«, flehte sie. »Bitte. Beende es, bevor es beginnt.«
    Paris antwortete nicht. Er hielt sie an sich gedrückt und trug sie unter Deck und in seine Koje. Erst jetzt verlor die andere Helen das Bewusstsein, und Helens Besuch in diesem furchtbaren Traum oder der Vision oder was es sonst gewesen war, endete abrupt und sie fiel in einen tiefen Schlaf.

2
    A ndy starrte das Metronom auf der Orgel, an der sie gerade spielte, gereizt an und wünschte, das Ding würde explodieren. Was es nicht tat. Sie holte tief Luft, wartete ein paar Takte ab und versuchte es dann erneut mit Bach. Zehn Ausschläge des Metronom-Pendels später fluchte sie mit zusammengebissenen Zähnen vor sich hin und schüttelte die Fäuste in der Luft, um nicht auf die Tasten einzuschlagen. Ein Instrument zu misshandeln war für sie eine unverzeihliche Sünde. Ein Metronom dagegen …
    »Du kannst froh sein, dass du eine Antiquität bist«, erklärte sie dem Gerät, nur damit es wusste, wie knapp es seiner Verwandlung in ein Häufchen Splitter entgangen war. Dann vertrieb sie alle Gedanken aus ihrem Kopf und unternahm einen neuen Versuch.
    Diesmal ließ sie einfach Bach die ganze Arbeit machen und schaffte es tatsächlich etliche Minuten, im Takt zu bleiben.
    Wundervoll. Zumindest, bis das Piepen einer Eieruhr sie aus ihrer Verklärung riss. Andys Finger glitten mit einem ohrenbetäubend lauten Misston von den Tasten, den nur eine riesige, hundert Jahre alte Orgel hervorbringen konnte.
    »Jetzt schon?«, fragte Andy das himmlische Glühen des Buntglasfensters hoch über ihrem Kopf. Aber nicht einmal die Schönheit des Glases, das ihr Gesicht angenehm wärmte, reichte aus, um sie zu beruhigen. Gerade jetzt, wo sie das Stück endlich hingekriegt hatte, musste sie aufhören.
    Sie unterdrückte das Verlangen, in der Kirche zu fluchen, und sah auf ihre Uhr. Schon acht. Mist. Ihre Probenzeit war vorbei, und um noch rechtzeitig zur ersten Stunde zu kommen, würde sie sich beeilen müssen.
    Es war lausig kalt. Draußen spähte die Sonne gerade erst über das hinterste Schulgebäude. Andy verkroch sich in den unförmigen Wollschichten, unter denen sie wie immer ihre umwerfende Figur verbarg, und hastete auf ihrer üblichen Abkürzung durch die froststarren Büsche. Obwohl es, genau genommen, keine Abkürzung war, sondern ein Umweg. Wichtig war nur, dass sie den Hauptweg und die anderen Schüler mied. Andy suchte an ihrer Schule nicht nach Freunden. Sie war gern allein. Zumindest redete sie sich das ein. In Wirklichkeit hasste sie es, fühlte
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