Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
03 Göttlich verliebt

03 Göttlich verliebt

Titel: 03 Göttlich verliebt
Autoren: Josephine Angelini
Vom Netzwerk:
Mutter mit einem feuchten Schwamm das Gröbste an Schmutz und Blut abgewaschen und Kate ihr löffelweise Suppe eingetrichtert hatte. Sie erinnerte sich auch an Orions Narben, und wieder ging ihr vor Mitleid das Herz über.
    Helen erinnerte sich aber auch an andere Dinge – Dinge, die sie nie getan hatte, wie etwa eine Toga zu binden (einen Chiton, ermahnte sie sich; was bei den Römern die Toga war, hieß bei den Griechen Chiton) und Wolle zu spinnen. Helen Hamilton war allerdings absolut sicher, dass sie in ihrem ganzen Leben noch keinen Chiton gebunden oder Wolle gesponnen hatte, und doch erinnerte sie sich an beides.
    Diese »Visionen« von Helena von Troja hatten sich immer wie Erinnerungen angefühlt, und jetzt, wo Helen richtig wach war, war sie überzeugt, dass es tatsächlich welche waren. Aber wie konnte sie sich an das Leben einer anderen Person erinnern? Das war unmöglich. Und wenn man dann noch bedachte, wie zermürbend diese Erinnerungen waren, wollte Helen eigentlich nur noch wissen, wie man sie abstellte.
    »Lennie?«, flüsterte Claire irgendwo in der Nähe von Helens Füßen.
    Helen sah Claire über die Rückenlehne der Couch spähen, die Ariadne am Fußende des Bettes stehen hatte. Gewöhnlich warf Ariadne dort ihre Klamotten hin und deshalb hatte Helen sie eher als eine Art Kleiderablage betrachtet und weniger als Sitzgelegenheit.
    »Bist du richtig wach oder nur eine Sekunde zu Besuch unter den Lebenden?«, fragte Claire. Sogar in dem matten Sonnenaufgangslicht, das durchs Fenster fiel, konnte Helen sehen, wie besorgt Claire war.
    »Ich bin wach, Gig.« Helen setzte sich mühsam auf. »Wie lange war ich weg?«
    »Ungefähr zwei Tage.«
    Das war alles? Helen kam es vor, als wären es Wochen gewesen. Sie sah hinüber zu Ariadne, die noch schlief. »Kommt sie wieder in Ordnung?«, fragte Helen.
    »Klar«, sagte Claire. »Sie und Jason kommen wieder auf die Beine.«
    »Und Orion? Lucas?«
    »Die sind okay – noch etwas demoliert, aber es geht ihnen schon besser.« Claire schaute weg und runzelte die Stirn.
    »Und mein Dad?«
    »Er ist ein paarmal aufgewacht, aber immer nur für ein paar Sekunden. Ari und Jason tun ihr Bestes.«
    Das war nicht die Antwort, auf die Helen gehofft hatte. Sie nickte und schluckte gegen den Kloß in ihrem Hals an. Ihr Vater war kein Scion und er war dem Tode näher gewesen als jeder von ihnen. Er würde viel länger brauchen, sich davon zu erholen. Helen verdrängte die Vorstellung, dass er sich womöglich nie ganz erholen würde, und sah Claire an.
    »Und wie geht’s dir?«, fragte Helen, die die traurige Miene ihrer besten Freundin natürlich sofort bemerkt hatte.
    »Todmüde. Und dir?«
    »Halb verhungert.« Helen schwang die Beine aus dem Bett und Claire kam, um ihr zu helfen. Die Freundinnen wankten die Treppe hinunter und plünderten den Kühlschrank. Helen wusste natürlich, dass sie so viel essen musste, wie sie nur in sich hineinstopfen konnte, damit sich ihre heilenden Zellen schnell erneuerten, aber sie konnte den Blick nicht von Claire abwenden.
    »Was ist los, Gig?«, fragte sie nach nur einem Löffel Hühnernudelsuppe einfühlsam. »Ist es wegen Jason?«
    »Es ist wegen euch allen. Diesmal seid ihr alle verletzt worden. Und ich weiß, dass es damit nicht getan ist«, antwortete Claire, die immer noch ungewohnt traurig wirkte. »Uns steht ein Krieg bevor, stimmt’s?«
    Helen legte den Löffel hin. »Ich weiß es nicht, aber die Götter können jetzt den Olymp verlassen und auf die Erde zurückkehren. Und das nur wegen mir.«
    »Es ist nicht deine Schuld«, verteidigte Claire sie sofort. »Du bist ausgetrickst worden.«
    »Und? Ausgetrickst oder nicht – ich habe versagt«, stellte Helen sachlich fest. »Ich habe mich von Ares in die Enge treiben lassen, obwohl ich gewarnt wurde, dass so etwas passieren könnte.«
    Sie fühlte sich schrecklich, aber sie wusste auch, dass es keinen Sinn hatte, sich von ihren Schuldgefühlen überwältigen zu lassen, und verbannte deshalb jeden Anflug von Selbstmitleid aus ihrer Stimme. Die Unterwelt hatte sie gelehrt, dass Verzweiflung keine Probleme löste, auch wenn sie noch so gerechtfertigt schien. Sie behielt diese Erkenntnis für ihr nächstes Gespräch mit Hades im Hinterkopf und blieb beim Thema. »Sind die Götter schon irgendwo aufgetaucht? Haben sie schon irgendwas gemacht?«
    Vor Helens innerem Auge tauchte plötzlich das Bild eines großen, wunderschönen Hengstes auf, der an einem Strand entlanggaloppierte.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher