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0261 - Im Schatten des Würgers

0261 - Im Schatten des Würgers

Titel: 0261 - Im Schatten des Würgers
Autoren: Rolf Kalmuczak
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die Frau deutlich zu erkennen. Ebenso genau erkannte ich die Frau. Mir blieb die Spucke weg. Nur dem Umstand, daß meine Reaktionsfähigkeit den Erfordernissen eines G-man angepaßt ist, verdanke ich es, daß ich rechtzeitig genug schaltete.
    Die Frau, die ich im Spiegel sah, war niemand anderes als Florence Porter.
    Sie war in ein enges graues Straßenkostüm gehüllt. Am Arm trug sie eine schwarze Lackledertasche. Das aschblonde Haar war zu einer kunstvollen Frisur nach dben gesteckt.
    Unsere Blicke trafen sich in dem Spiegel.
    Ich sah, wie Florence den Mund öffnete. Ich sah, wie ihre weißen Zähne hinter den roten Lippen sichtbar wurden. Im nächsten Augenblick würde Florence einen gellenden Schrei ausstoßen.
    Dazu durfte es nicht kommen.
    Ich schoß wie von der Sehne geschnellt um die Ecke, sprang mit einem Satz die drei Stufen empor, die zwischen mir und Florence Porter lagen, und packte die ehemalige Bardame in dem Augenblick, als sie die Erstarrung des Schreckens überwunden hatte.
    Mit der linken Hand faßte ich Florence am Arm. Die Rechte preßte ich ihr auf den Mund. Ich' fühlte, wie sich ihre Zähne seitlich in meinen Handteller gruben. Der Schmerz schoß mir durch den Arm, aber ich zog die Hand nicht zurück. Gleichzeitig traf mich die Spitze eines ihrer Pumps am Schienbein.
    Es hätte nicht viel gefehlt, und ich wäre es jetzt gewesen, der durch einen Schrei die Gangster gewarnt hätte.
    Phil war neben mir, packte den anderen Arm der Frau, und gemeinsam zogen wir sie die Treppe hinab.
    Zum Glück lagen die Flure und das Treppenhaus um diese Zeit verlassen.
    Mit vereinten Kräften — Hyram und Jake sprangen hinzu — schleppten wir die sich heftig sträubende Florence die Treppen hinunter bis in das Parterre. Hier unten waren wir einigermaßen sicher. Selbst wenn Florence jetzt schreien würde, war kaum anzunehmen, daß es die Gangster im vierten Stock hören würden.
    »Halten Sie den Mund«, sagte ich und nahm meine zerbissene Hand vom Mund der Bardame zurück. An der Handkante hing die Haut in Fetzen. Einige Blutstropfen sickerten aus dem Handteller.
    Der Lippenstift im Gesicht der Frau war verwischt. Die Nase hatte etwas von dem Rot abbekommen, und am Kinn gab es einige breite Striche.
    »Was haben Sie bei Callagham zu suchen?« fragte ich.
    Florence machte nicht einmal den Versuch zu leugnen. Zwar gab sie keine Antwort. Aber sie senkte trotzig den Kopf, und das kam einem Eingeständnis gleich.
    »Was haben Sie bei Callagham zu suchen?« wiederholte ich meine Fragen. »Los. Antworten Sie!« .
    Sie blieb so stur wie ein Sherman-Panzer.
    Ich blickte Phil an.
    »Vielleicht wird es besser sein, wenn wir ihr erst ein bißchen auf den Zahn fühlen, bevor wir das Nest dort oben ausheben?«
    »Okay«, sagte Phil. »Aber wohin mit ihr? Wir können sie nicht über die Straße befördern. Wenn oben jemand aus dem Fenster schaut, ist alles verraten,«
    »Richtig. Dann also hier.«
    Während sich Jake und Hyram auf der Treppe herumtrieben, um die Wohnung der Gangster ständig im Auge zu behalten, sahen Phil und ich uns nach einem Raum um, in dem wir wenigstens einige Einzelheiten über Callaghäm aus Florence herausholen konnten. Die vier anderen Kollegen blieben weiterhin an den Eingangstüren postiert.
    Sie standen dort und unterhielten sich sehr angeregt. Auf jeden Bewohner des Hauses, der an ihnen vorbeiging, mußte die Szene einen sehr harmlosen Eindruck machen. Auf die Idee, daß es sich um G-men handele, konnte man bei dem Anblick unserer Kollegen wahrlich nicht kommen.
    Ich ging durch den Flur im Parterre und fand an der letzten Tür ein Schild mit der Aufschrift: Hausmeister.
    Ich klopfte.
    Eine knarrende Stimme sagte »Herein!« Ich öffnete die Tür.
    Es war ein schmutziger Raum, der sowohl als Küche als auch als Wohn- und Schlafzimmer dienen mochte. Von einem Feldbett erhob sich ein unwahrscheinlich fetter Mann Anfang der Fünfzig. Er trug eine verknautschte Leinenhose, die ihm viel zu eng war. Die Hosenträger hingen rechts und links herab. Über die speckige Brust des Dicken spannte sich ein buntes Hawaii-Hemd. Die beiden obersten Knöpfe standen offen und zeigten den Rand eines ehemals weißen Unterhemdes. Das Gesicht des Dicken sah aus wie ein prallreifer Augustapfel.
    »Hallo«, sagte ich. »Sie sind der Hausmeister?«
    »Schon seit fünf Jahren!«
    Ich zog meinen FBI-Ausweis und hielt ihn dem Dicken unter die Nase. Er grabschte mit einer teigigen Hand zu, trat dann an das einzige Fenster
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