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0261 - Im Schatten des Würgers

0261 - Im Schatten des Würgers

Titel: 0261 - Im Schatten des Würgers
Autoren: Rolf Kalmuczak
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gegenüber den Piers 19 und 20.«
    Ich runzelte die Stirn und blickte Phil an. Die Warren Street gehört nicht gerade zu den vornehmsten Vierteln unserer Millionenstadt. Wenn wir Gordon in dieser Gegend allein herumsuchen ließen, würde nicht viel von ihm übrigbleiben.
    »Ja, Captain! Hier spricht High. — Ich brauche eine Auskunft von Ihnen. In Ihrem Revier liegt doch die Good-Luck-Bar. Arbeitet dort eine Shirley Scott und…«
    Mr. High sprach den Satz nicht zu Ende. Er wurde offenbar von seinem Gesprächspartner unterbrochen. Unser Chef lausdite etwa drei Minuten, machte sich spärliche Notizen, bedankte sich dann freundlich und legte den Hörer auf.
    »Shirley Scott arbeitet noch immer in der Good-Luck-Bar. Die Kneipe hat einen sehr schlechten Ruf. Die Polizei behält sie ständig im Auge. Kein Wunder, daß der Captain mir in allen Einzelheiten auf Anhieb Bescheid geben konnte — Es geht auf keinen Fall, daß Mr. Gordon sich dort allein umtut. Er kennt die Gegend und die Gewohnheiten nicht. Jerry und Phil, ihr beide werdet Mr. Gordon heute abend begleiten. Es wird zweckmäßig sein, wenn ihr Shirley Scott erst einmal unauffällig aushorcht. Sie nennt sich Bardame und schenkt gepanschten Whisky an zwielichtige Gestalten aus.«
    Damit war die Unterredung in Mr. Highs Office beendet, und wir zogen ab — nicht ohne dabei den Chef von Louis Gordon zu befreien. Der Beauftragte des Districts Attorney von Los Angeles war erst im Laufe des Nachmittags in New York eingetroffen, hatte sich noch kein Zimmer besorgen können und auch den Nahrungsmittelnachschub in der zweiten Tageshälfte versäumt. Telefonisch bestellte ich für unseren Gast ein Zimmer, das in einem hübschen Hotel lag in der Nähe des Districtgebäudes. Dann zogen wir zu dritt, in ein italienisches Restaurant, um uns für den Besuch in der Warren Street zu stärken. Wir schrieben den 26. Juli, und der Tag war so heiß, daß man Spiegeleier auf dem Asphalt der Straßen braten konnte.
    Louis Gordon erwies sich bei näherem Kennenlernen als ein netter Zeitgenosse. Er konnte sogar lachen, wie wir nach dem dritten Whisky feststellten. Während er die zarten Spaghetti in sich hineinangelte, vergaß er nicht zu erzählen, daß er in den Unterweltkreisen der Westküste als ein gefährlicher Mann galt. Ich glaubte ihm das gern. Die zahllosen Narben in seinem grobknochigen Gesicht zeugten von handgreiflichen Auseinandersetzungen. In Gordons hellen Augen lag ein eisiger Glanz; er ließ seine Blicke unentwegt umhergleiten, so als erwarte er jeden Augenblick einen Überfall. Zu meinem Erstaunen stellte ich fest, daß er unter jeder Achsel eine Fünfundvierziger-Automatic trug. Das reichte bequem aus, um gegen eine Elefantenherde anzutreten. Ich fragte Gordon nach seinen Pistolen. Er erzählte voller Stolz, daß er in der Lage sei, links wie rechts auf eine Entfernung von zwanzig Schritt einem Mann die Zigarette aus dem Mund zu schießen. Ob wir es einmal versuchen wollten Wir lehnten dankend ab, und Phil meinte, das Rauchen sei ohnehin schon ungesund genug. Man sollte es nicht übertreiben.
    Um 19.30 Uhr verstauten wir Louis Gordon auf dem Notsitz meines Jaguar und zuckelten in Richtung West Broadway. Von dort aus war es nicht mehr weit bis zur Warren-Street, wo gegen 20 Uhr das Good-Luck-Etablissement seine Pforten öffnete. ‘
    Wir fuhren durch die Chamber Street und kamen gerade rechtzeitig am Ziel an, um Gordon vor einem Tobsuchtsanfall zu bewahren. Er knurrte etwas von unbequemem Notsitz und abgequetschten Arterien in seinen Beinen.
    »Haben Sie keine Sorge«, sagte Phil. »Auf dem Nachhauseweg dürfen Sie laufen Ich leihe Ihnen meinen Stadtplan.«
    Wir parkten den Jaguar etwa hundert Yard vor der Bar und trabten dann los.
    Um nicht von vornherein alle Trümpfe zu vergeben, hatten wir abgemacht, daß erst Phil die Kneipe allein betreten sollte. Gordon und ich wollten kurze Zeit später nachkommen.
    Die Sonne ging jetzt langsam unter. Wir hatten freien Blick auf den Hudson, wo vergoldete Wellen in leichter Brise tanzten. Gordon meinte, daß der Pazifik an der Westküste schöner sei und angelte dann nach seinen Pistolen. Seiner Miene war zu entnehmen, daß er nicht lange zögern würde, diese Elefantentöter zu produzieren. Ich war einigermaßen besorgt, als wir die Bar betraten.
    Das Good-Luck-Lokal war eleganter, als ich geglaubt hatte. Wie ein langer Schlauch zog sich der Raum dahin. Der Vorhang aus grünem Filz war schwer genug, um einen schmächtigen
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